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Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Titel: Herzen aus Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona McIntosh
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stammte. Aus irgendeinem Grund kam sie her, um auf einer Reisplantage zu arbeiten. Sie war sehr hübsch und hatte eine wunderschöne Stimme, an die ich mich noch ganz genau erinnern kann. Wer mein Vater ist, weiß ich nicht. Manche Leute sagen, dass er Soldat war. Andere haben mir erzählt, er sei der Plantagenbesitzer selbst gewesen, der sich gern mit den schönen indischen Arbeiterinnen vergnügte. So oder so, mein Vater war auf jeden Fall Brite.«
    »Und zu was macht dich das?«
    Robbie lächelte traurig. »Ich bin das, was ihr Anglo-Inder nennt, Ned. Jemand, der nur halb einer Kaste zugehörig ist.«
    »Nun, in Anbetracht deines Namens klingst du genauso schottisch wie ich.«
    »Das stimmt, und ich bin stolz darauf, den Namen Robert James zu tragen.«
    »Was ist mit der Familie deiner Mutter?«
    »Du hast keine Ahnung vom indischen Kastenwesen, oder?«
    Ned schüttelte den Kopf.
    »Also, wie kann ich dir das am einfachsten erklären? In der indischen Gesellschaft gibt es strikte Trennungslinien. Keine Schicht überschneidet die andere. Die Angehörigen einiger Kasten weigern sich, mit Angehörigen einer anderen Kaste zu sprechen, andere weigern sich sogar, sich am selben Ort aufzuhalten wie jemand aus einer niedrigen Kaste.«
    Ned starrte ihn ungläubig an.
    »Du glaubst, ich lüge dich an?«
    »Ich glaube, du übertreibst.«
    »Und ich glaube, du musst noch viel lernen«, erklärte Robbie ihm. »Einer Kaste anzugehören, ist das eine. Nur halb einer Kaste anzugehören, also weder das eine noch das andere zu sein, bedeutet, in einer Wüste leben zu müssen. In der Familie meiner Mutter sind alle nur Diener in britischen Haushalten, aber sie betrachten mich als niedriger stehend, als einen Unberührbaren – sie sehen auf mich herab, als wäre ich Dreck an ihren Füßen.«
    »Komm schon, Robbie …«
    »Weshalb, glaubst du, bin ich hier? Mein Vater hat uns verlassen. Und die Familie meiner Mutter wollte nichts mehr mit uns zu tun haben. Meine Mutter starb an der Ruhr, als ich etwa in Bellas Alter war. Ich weiß also ganz genau, wie sehr deine Schwester leidet.«
    »Und was ist dann geschehen?«
    »Ich habe auf der Straße gelebt, und ich habe überlebt. Das ist alles, was zählt. Ich habe Fremde in der Stadt herumgeführt, oder ich habe ihnen ihre Sachen getragen. Ich habe versucht, Geld zu verdienen, anstatt nur zu betteln. Und ich habe mir geschworen, niemals zu klauen. Ich mag nämlich keine Diebe. Eines Tages habe ich einen Diebstahl beobachtet. Ich war gerade dabei, mit einem Rubinhändler, für den ich ein paar Sachen tragen sollte, meinen Lohn auszuhandeln, als der Taschendieb zugriff. Das konnte ich nicht zulassen – er stahl die Papiere meines Kunden und mit ihnen sein Geld und meinen Lohn. Als der Dieb davonrannte, stellte ich ihm ein Bein und warf mich auf ihn.«
    »Was geschah dann?«
    »Nun, der Händler war sehr dankbar und wollte mir etwas Gutes tun. Mir wäre Geld am liebsten gewesen!« Robbie lachte wehmütig. »Aber er sprach mit irgendwelchen Leuten, und ehe ich mich’s versah, fand ich mich hier in diesem Waisenhaus wieder. Und dann wurde ich sehr schnell erwachsen.« Sichtlich verlegen, begann Robbie wieder zu wischen.
    »Mir ist es gerade einmal gelungen, Bell ohne Tränen durch den Tag zu bringen. Ich will sie nicht schon wieder aus ihrer Umgebung herausreißen. Was die Einheimischen machen, ist doch für uns nicht wirklich von Bedeutung, oder?«
    »Glaubst du tatsächlich, dass deine britischen Freunde dich beschützen werden? Die haben dich doch längst vergessen.«
    »Mr. Fraser hat gesagt …«
    »Ich weiß, was er gesagt hat. Aber dein Mr. Fraser ist bestimmt genauso wie mein Rubinhändler. Er hat geschworen, dass er wiederkommen und mir helfen würde. Das war vor fü nf Jahren. Dein Mr. Fraser wird schon bald auf der anderen Seite der Erde sein, Ned, und spätestens dann wird er die Sinclairs vergessen haben. Nein, du musst dir schon selbst helfen.«
    »So wie du das getan hast, meinst du?«
    Seine Worte schienen Robbie zu verletzen. Er drehte sich um und starrte ihn böse an. »Ich habe mir fest vorgenommen, von hier abzuhauen, Ned. Du kannst mitkommen, wenn du willst – du und Bella. Oder du kannst hier verrotten und dabei zusehen, wie Bella zu Brents Spielzeug wird.«
    Spielzeug? Ned war sich nicht sicher, ob er Robbie richtig verstanden hatte.
    »Spar dir die Frage. Ich weiß ganz genau, wovon ich rede. Er ist nicht gerade wählerisch, Ned. Seine Opfer müssen nur jung sein …

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