Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
Vater oft genug eingeschärft. Manchmal musste man einfach nach Gefühl handeln – etwas, das sein waghalsiger Vater zu seiner Lebensmaxime erklärt hatte. Ned hatte nichts bei sich außer dem Umschlag mit den drei Pfund und der Kleidung, die er am Leib trug.
Offensichtlich waren ihm die Götter hold und hatten seine Gebete erhört. Binnen Sekunden standen nur noch das Pferd und der Karren vor dem Geschäft, während Ned, so schnell er konnte, in die Freiheit rannte.
Kurze Zeit später trat Foster aus dem Geschäft ins grelle Sonnenlicht hinaus. Blinzelnd schaute er sich um. Die rosa Lippen in seinem dunklen Gesicht wurden schmal. Der Kutscher kam mit zwei großen Säcken Reis, die er auf den Karren lud.
»Er hat das Angebot also angenommen, Master?«, fragte er auf Burmesisch und entblößte seine Zahnlücken.
»Scheint so«, antwortete Foster. »Das wird Dr. Brent durchaus gefallen, schätze ich.«
Ned hatte das Gefühl, er könnte ewig weiterrennen. Er war absichtlich im Zickzack gelaufen, hatte sich auf engen und verwinkelten Wegen immer weiter ins Zentrum von Rangun hineinbewegt, bis er schließlich kein einziges weißes Gesicht mehr sah. Endlich blieb er stehen und lehnte sich heftig atmend gegen eine Wand. Überrascht stellte er fest, dass er sich anscheinend in einem besonders ruhigen Viertel befand. Er war durch so viele Gassen gerannt, dass er vollkommen die Orientierung verloren hatte. Allerdings hörte er noch den beruhigenden Verkehrslärm der Hauptstraßen.
Der plötzliche Anblick eines Tropenhelms löste erneut Panik in ihm aus. Er sprang durch eine Tür, die sich gerade geöffnet hatte, schoss an einem Wirbel aus safranfarbenem Stoff vorbei und stieß dann fast mit einer kleinen Gruppe von Jungen zusammen, die in rote und orangefarbene Gewänder gekleidet waren. Ihre Köpfe waren kahl rasiert. Ihre dunklen, mandelförmigen Augen sahen ihn voller Verwunderung an, aber es war ihr freundliches Lächeln, das ihn sofort für sie einnahm. Sie plapperten und lachten wie ein Schwarm zwitschernder Spatzen.Verblüfft blieb Ned stehen. Ihm wurde bewusst, dass er in ein Kloster hineingestolpert war. Ringsum gingen Männer – junge wie alte – in entspanntem Schweigen ihren Ritualen nach. Ein Labyrinth aus gewundenen Korridoren, vo n denen durch Holzkonstruktionen getrennte Abteile abzweigten, führte Ned immer weiter hinein in diesen Ort des Gebetes und der Besinnung. Als er in ehrfürchtigem Staunen durch die m it steinernen Fliesen ausgelegten Flure ging, erblickte er eine n Mönch, der gerade ein traditionelles Bad nahm, wobei er sich aus einem kleinen Gefäß Wasser über den Kopf schüttete. Falls der Mann den Fremden bemerkt haben sollte, so ließ er sich von ihm nicht stören. Ganz in der Nähe sah Ned mehrere Männer im Kreis um einen Topf mit Reis und dünnem Curry sitzen und essen.
Der Duft ließ seinen Magen knurren. Er war sehr hungrig, aber das war angesichts der Umstände nicht von Bedeutung, und so versuchte er einfach, seinen leeren Magen zu ignorieren. Im Gegensatz zu den Mönchen würde er nicht um etwas zu essen betteln müssen, was die Männer, die jetzt an ihm vorbeigingen, vermutlich draußen auf der Straße gleich tun würden. Lächelnd und durch seine plötzliche Anwesenheit anscheinend in keiner Weise irritiert, strömten die Männer wie ein orangeroter Fluss aus dem Kloster. In dem Gefühl, in diesen Mauern sicher zu sein, sprach Ned einen der Mönche an.
»Entschuldigen Sie, Sir?«
Der Mann nickte. Offensichtlich sprach er kein Wort Englisch.
Ned griff in seine Tasche und nahm eines der Zwei-Shilling-Stücke heraus. Er drückte dem Mann die Münze in die Hand. »Für Sie. Für alle hier!«, sagte er und machte dabei eine ausladende Geste. Er wusste, dass das viel Geld war und dass wahrscheinlich das gesamte Kloster damit einen ganzen Tag lang satt werden würde. »Beten Sie für meine Familie«, bat er und legte dabei seine Hände wie zum Gebet aneinander. Der dunkeläugige, weise aussehende Mann sagte etwas auf Burmesisch. Ned verstand seine Worte nicht, trotzdem klangen sie für ihn irgendwie tröstlich.
Ned entspannte sich. Der Plan würde funktionieren. Es würde ihnen gelingen, Brents Fängen zu entkommen und Rangun zu verlassen. Er sah zu den kleinen Wattewolken hinauf, die über einen ansonsten vollkommen blauen Himmel jagten, dann verließ er das Kloster. Voller Zuversicht rannte er weiter.
13
Ned kam zu einem überdachten Markt, der vom Geschrei unzähliger
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