Herzen aus Gold: Roman (German Edition)
Kopf. »Du hast recht. Es ist aufregend, aber auch ein wenig beängstigend. Etwas Vergleichbares habe ich noch nie gesehen.«
»So empfindet es jeder beim ersten Mal. Bei mir war es auch nicht anders. Aber man gewöhnt sich schnell daran, und dann kommt einem das alles seltsamerweise vertraut, ja sogar wie ein Stück Zuhause vor.« Er lächelte freundlich. »Ich weiß, dass ich dir diese Frage schon einmal gestellt habe, alter Knabe: Wie sehen deine Pläne aus?«
Jack zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es immer noch nicht. Ich habe allen gesagt, dass ich nicht nach Australien weiterfahren werde – so gern ich auch an Bord geblieben wäre.«
Henry boxte ihn begeistert auf den Arm. »Das lob ich mir! Du wirst es bestimmt nicht bereuen. Aber was nun?«
»Du hast mich auf eine Idee gebracht, Henry. Ich denke, ich werde deinen Rat befolgen und mich auf den Weg zu den Goldfeldern von Ko…« Er konnte sich an den Namen der Gegend nicht mehr erinnern.
»Kolar«, ergänzte Henry. »Dann musst du zuerst einmal nach Bangalore.«
» In Ordnung. Ich habe allerdings nicht die geringste Ah nung, wo das liegt.«
»Unten im Süden. Dank der industriellen Möglichkeiten des guten alten Britanniens kannst du sogar mit dem Zug dorthin fahren.«
»Perfekt«, sagte Jack, dem diese Idee sofort gefiel.
»Und mehr noch! Wir können sogar zusammen reisen, wenn du nichts dagegen hast.«
Jack war überaus erleichtert. »Wirklich?«
Henry grinste. Seine rechte Schulter zuckte wie wild vor Begeisterung. Er hielt ein Stück Papier in die Luft. »Ich habe gerade die Anweisung bekommen, nach Bangalore zu fahren.«
»Du bist versetzt worden?«
»Nein, es ist nur ein kurzer Besuch … Ich muss einen Bericht über einige der Minen im Süden erstellen. Das bedeutet, dass ich dich bis Bangalore begleiten und vielleicht sogar ein Einstellungsgespräch mit einer der Bergbaugesellschaften arrangieren kann.«
»Henry, das ist … also, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
» Nicht der Rede wert.« Er zeigte mit einer ausladenden Gest e zum Kai hinüber. »Willkommen in Indien, alter Knabe.«
Als Jack später mit Henry in einer kühlen Bar am Marine Drive saß und einen Gin Tonic trank – etwas, das er sich an Bord der Naldera angewöhnt hatte –, dachte er über den langen Tag nach, der eine einzige Besichtigungstour gewesen war.
Abgesehen von den kulturellen Sehenswürdigkeiten hatte ihm Henry auch voller Stolz alle wichtigen britischen Gebäude gezeigt, angefangen bei der ersten Baumwollfabrik bis hin zum Grant Medical College. Natürlich hatte auch sein Lieblingsgebäude, der Hauptbahnhof, der als Victoria Terminus bekannt war, nicht auf der Liste gefehlt.
»Er erinnert mich mit seiner viktorianischen Architektur und den roten Ziegeln entfernt an St. Pancras«, hatte Jack gesagt, woraufhin Henry bis über beide Ohren gegrinst hatte.
»Das ist ja auch kein Wunder. Schließlich wurde der Bahnhof nach dem Vorbild dieser Kirche gebaut. Wir können London niemals ganz entkommen, nicht wahr? Prächtig, diese erstaunliche Verschmelzung der großartigen gotischen Strukturen mit der indischen Architektur. Der Ingenieur hat diesen Bahnhof nach einem Aquarell des Konstruktionszeichners gebaut!«
Auch die Stadt selbst hatte Jack tief beeindruckt. Als er nun über den langen halbmondförmigen Strand hinausblickte, der die Küste des Arabischen Meeres markierte, verstand er nur allzu gut, warum die Engländer in Scharen nach Bombay kamen.
Das Leben in dieser Stadt war angenehm, wenn man das hektische gesellschaftliche Treiben, den Lärm der Menschen und den Nervenkitzel des Geschäftemachens liebte. Auf Jack traf das jedoch nicht zu. London war für ihn nur ein Mittel zum Zweck gewesen. Niemals hatte er es sich auch nur vorstellen können, dort auf Dauer zu leben. Bombay, so aufregend und bunt es auch war, würde ihm auf längere Zeit ebenfalls nicht behagen. Er hoffte, dass die Atmosphäre in Kolar Gold Fields dem schlichten Leben, das er von seinem geliebten Pendeen gewöhnt war, näherkam. Als er jedoch die Schweißtropfen spürte, die sich auf seiner Stirn sammelten, fragte er sich, ob er sich jemals an Indien gewöhnen würde.
»Hier haben wir den Luxus, dass die Stadt am Meer liegt. Im Augenblick herrscht die heiße Jahreszeit. Der Mai kann wirklich unerträglich sein. Im Juni beginnt dann der Monsun, das heißt, dass es so gut wie jeden Tag regnet – und zwar kräftig. Aber die Schauer sind meist nur kurz und durchaus
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