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Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Herzen aus Gold: Roman (German Edition)

Titel: Herzen aus Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona McIntosh
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fährst, wirst du sehen, dass es Sitte ist, seinen Tropenhelm in dem Augenblick, in dem man Port Said hinter sich lässt und ins Mittelmeer einfährt, ins Meer zu werfen.«
    Jack lachte. »Wirklich?«
    »Oh, ja. Auf diese Weise lässt man symbolisch Mutter Indien hinter sich.«
    »Ihr seid vielleicht komisch«, sagte Jack und schüttelte den Kopf. »Ihr weint, wenn ihr England verlassen müsst, und dennoch nennt ihr Indien eure Mutter.«
    »Nun, die Oberschicht betrachtet Indien ganz einfach als Erweiterung ihrer Heimat. Als ihr Land. Es ist britisch!«, sagte Eugenie mit vornehmem Akzent.
    Alle lachten.
    »Nun, meine Lieben, ich denke, ich sollte mich vor dem Abendessen noch ein wenig hinlegen«, sagte Tante Agatha und wandte sich zum Gehen. »Werden Sie uns bei Tisch Gesellschaft leisten, Jack?«
    »Aber gern. Darf ich vorschlagen, dass sich Henry ebenfalls zu uns setzt?«
    »Ich bitte darum«, sagte Tante Agatha im Gehen. »Bis später. Eugenie, pass auf, dass du keinen Sonnenbrand bekommst.«
    Eugenie drehte sich zu Jack um. »Muss dieser zuckende Bursche wirklich mit uns essen? Ich finde ihn ziemlich anstrengend.«
    »Er zuckt, weil er dich so schön findet.«
    »Oh«, sagte sie. Es klang beschämt. »Aber er sieht mich doch überhaupt nicht an.«
    »Er wagt es doch nur nicht, dich anzusehen, weil er dich anbetet.«
    »Während du mir direkt in die Augen siehst!«
    »Weil wir beide Freunde sind.«
    »Wir könnten mehr sein …«
    Er sah sie tadelnd an. »Glaub mir, ich würde dich binnen weniger Monate – nein, binnen weniger Wochen – zum Weinen bringen.«
    »Aber warum?«
    »Eugenie, vielleicht wäre es besser, wenn ich nicht …«
    »Nein, sprich es nicht aus! Es tut mir leid. Ich werde nicht weiter in dich dringen. Ich werde mit Mr. Berry plaudern und weiter jeden Abend einen Tanz mit dir tanzen. Und in Bombay werde ich dich ziehen lassen. Versprochen. Lass uns jetzt bitte nicht im Stich, und bleib weiter mein Freund.«
    »Also gut. Vielen Dank. Aber nur, weil ich es traurig fände, mich nicht mehr mit Tante Agatha unterhalten zu können.«
    »Ich glaube, ich hasse dich, Jack Bryant.«
    »Zu dieser Überzeugung kommt am Ende jeder«, gab er zu. Und auch wenn er diese Bemerkung gemacht hatte, um sie zum Lachen zu bringen, fragte er sich insgeheim doch, ob er je etwas Wahreres gesagt hatte.
    Den Kanal zu passieren, nahm einen ganzen Tag in Anspruch. Jack verbrachte die meiste Zeit davon an Deck, wo er unter seinem Tropenhelm hervor ins grelle Sonnenlicht blinzelte und die Kinder beobachtete, die am Kanal entlangliefen und die Reisenden anbettelten, ihnen ein paar Münzen zuzuwerfen, was einige der Passagiere dann auch taten. Als sie Ismailia erreichten, eine Stadt, die etwa auf halber Strecke lag, verfolgte bereits eine ganze Flottille von Bumbooten das Schiff, auf denen, angefangen bei Stiefeln bis hin zu lebenden Affen, so gut wie alles angeboten wurde.
    Die Stadt Suez allerdings war für Jack eine herbe Enttäuschung. Er konnte selbst nicht sagen, warum er etwas Besonderes erwartet hatte, aber Suez erwies sich als höchst langweiliger Ort, an dem es für die Passagiere nur wenige Zerstreuungen gab. Der einzige Grund, das Schiff zu verlassen, war ein Ritt auf einem Esel.
    Nachdem sie ein paar Tage das Rote Meer durchfahren hatten, wurde Jack bewusst, dass sie sich jetzt tatsächlich in einer anderen Klimazone befanden. Die Küstenlandschaft in der F erne war trocken und zeigte ein staubiges Braun. Tagsüber wa r es unerträglich heiß, und selbst der Seewind brachte kaum Kühlung. Jack fragte sich immer wieder, ob die Hitze einen Menschen tatsächlich in den Wahnsinn treiben konnte. Obwohl das kaum noch möglich schien, stiegen die Temperaturen, nachdem sie Aden passiert hatten, noch weiter an – die gnadenlose Hitze zwang einige der Passagiere, an Deck zu schlafen. Trotz der Deckenventilatoren in der Zweibettkabine der zweiten Klasse kamen er und Henry vor Hitze fast um. Die Temperatur in ihrer Kabine betrug jetzt mehr als achtunddreißig Grad Celsius.
    »Von jetzt an, alter Knabe«, hatte Henry eine Woche später erklärt, »verbringen wir die Nacht an Deck.«
    Die Crew errichtete eine Trennwand aus Segeltuch, um den Damen wenigstens ein wenig Privatsphäre zu gewährleisten. Die Männer waren dazu übergegangen, kurze Hosen zu tragen, was Jack sehr amüsant fand, während er sich gleichzeitig verzweifelt wünschte, er hätte selbst ein Paar dabei.
    Alles fühlte sich irgendwie fremd und seltsam an. Die

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