Herzen aus Stein (German Edition)
Boulogne . Hier könnte es Noir gefallen.
Das Handy lotste sie durch ein Wohnviertel mit wunderschönen alten Häusern im Jugendstil. Viele bestanden aus fünf bis sieben Etagen und waren aus Kalkstein errichtet. Sie hielten vor einem we i ßen Wohngebäude mit zahlreichen Parteien, hohen Fenstern und schmalen Balkonen.
„ Hier soll es sein “ , sagte Noir.
Sie betraten das Gebäude, in dessen Hauseingang sich viele Brie f kästen befanden.
„ Wir müssen nach Moulier suchen. “ Das wusste sie von Magnus. Noir begann, an den Briefkästen entlangzugehen. Vincent startete die Suche vom anderen Ende aus.
„ Hier steht Moulier ! “ , rief er.
„ Okay, wollen wir mal sehen. “ Der kleine Metallkasten war nicht abgeschlossen. Noir öffnete das Türchen und holte einen Briefu m schlag hervor. „ Das ist ja wie im Film. “ Sie konnte durch das Kuvert fühlen, dass sich darin eine Plastikkarte befand. Neugierig öffnete sie es noch an Ort und Stelle. „ Wow, ist der nicht perfekt? Das Ding sieht verdammt echt aus. Magnus hat bemerkenswerte Kontakte. “ Grinsend hielt sie Vincent den Ausweis unter die Nase. „ Bitte schön, Mr. Balentine . “
Lächelnd nahm er ihn entgegen. „ Danke schön, Mrs. Hadfield . “
Ihr blieb der Mund offen stehen. Dieser Mann kannte sogar ihren kompletten Decknamen. Aber sollte sie das wirklich wundern, wo er jahrelang ihr Schatten gewesen war?
Noir hatte nicht widerstehen können und war mit Vincent noch durch zahlreiche Boutiquen im 16. Bezirk geschlendert. Mittlerweile hatte sich die Anzahl der zu tragenden Tüten verdreifacht. Da sie nicht wusste, wo sie die ganze Kleidung unterbringen sollte – reiste sie sonst hauptsächlich mit ihrem Rucksack –, hatte sie sich eine Reisetasche gekauft. Vincent hatte sie ebenfalls noch schicke Schuhe und ein Hemd aufgeschwatzt, auch, weil sie sich für seine Geduld revanchieren wollte. Er hatte Nerven wie Stahlseile. Jeder andere Mann hätte Noir zum Teufel gejagt, weil sie sich nicht zwischen zwei Pullovern hatte entscheiden können. Zumindest glaubte sie das, denn sie kannte solche Situationen nur aus dem Fernsehen. Vincent hatte einfach gesagt, sie solle beide kaufen, er fände, sie sehe in be i den zum Anbeißen aus. Der Mann hatte Charme, keine Frage. Jetzt war Noir doch sehr froh, dass sie erst morgen Früh nach Florenz weiterflogen. Sie hatte mit Vincent einen wunderschönen Tag ve r bracht, war ausgiebig Shoppen gewesen und hatte außerdem die nötige Ausrüstung für den Dämonenklub erworben.
Als sie noch wenige Meter vom Hotel entfernt waren, atmete sie auf. Ihr taten vom vielen Herumlaufen die Füße und der Rücken weh. Nicht einmal nach den nächtlichen Dämonenjagden fühlte sie sich so ausgepowert. Es war erstaunlich, welche Muskelgruppen beim Einkaufen beansprucht wurden. Noir lächelte – überhaupt schien sie nur noch zu lächeln, weshalb sich ihr Gesicht verspannt anfühlte. Diesen herrlichen Tag würde sie nicht so schnell vergessen. Es dämmerte bereits, daher durfte sie noch nicht auf einen entspa n nenden Fernsehabend hoffen. Vincents Verwandlung stand an. Sie wollte diesen Fluch, der ihm Schmerzen zufügte, unbedingt von ihm nehmen. Ein so wunderbarer Mann hatte es nicht verdient, täglich aufs Neue bestraft zu werden, nur weil er nicht der Norm entsprach.
Kapitel 16 – London
K
ara musste dringend mit Raphael sprechen. Sie hatte in den letzten Stunden viel nachgedacht und war immer wieder bei einem Punkt gelandet: Sie wollte wissen, woher ihr Mentor Ash kannte. Da gab es irgendeine Verbi n dung.
Unruhig wie ein Tiger im Käfig balancierte sie auf dem Geländer des schmalen Balkons entlang, der sich vor ihrem Zimmer befand – für die Menschen unsichtbar und aus Platzgründen flügellos. Nur das Patschen ihrer nackten Füße auf dem Metall war zu hören. Sollte sie abrutschen und fallen, könnte sie ihre Schwingen sofort hervorbr e chen lassen. Deshalb trug sie neben ihre n Röhrenjeans auch nur ein Bustier, damit kein Stoff den Vorgang blockierte.
Wenn sie sich mit Raphael traf, dann immer draußen, auf ihrem engen Balkon. Er respektierte die Privatsphäre ihrer irdischen Rüc k zugsmöglichkeit, weshalb er noch nie ihr Zimmer betreten hatte. Hoffentlich hatte er Zeit für sie. Seine Herrscherpflichten bea n spruchten ihn sehr. Zusätzlich hatte er als Erzengel weitere Aufg a ben. Raphael war der Heiler unter den Engeln, aber leider auch dafür zuständig, jemandem die Flügel zu
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