Herzen aus Stein (German Edition)
mehr ganz so abweisend zu sein. Nachdem sie sich fürs Boarding in der Menschenschlange angestellt hatten, rückte sie nah an Vincent heran. Die vielen Leute machten ihm ernsthaft zu schaffen. Sie selbst machte das Stimmengewirr der sprechenden und denkenden Leute konfus. Sie wusste, warum sie es bevorzugte, in Magnus’ Privatjet zu reisen.
Erst im Flugzeug atmete sie ein wenig auf. Vincent saß am Fenster, sie auf dem Platz daneben. Auch er schien sich endlich zu entspa n nen, als die Maschine abhob. Er hatte seine empfindlichen Augen mit seiner Sonnenbrille bedeckt und schaute hinaus. Selbst als sie durch die Wolkendecke brachen und es außer Zuckerwattehügeln und dem endlosen Blau des Himmels kaum etwas zu sehen g ab, blickte er immer noch nicht in ihre Richtung.
Dafür musste Noir die ganze Zeit zu ihm schauen. Intensiv b e trachtete sie seine lange Gestalt, die in der Sitzreihe kaum Platz fand. Ihre Beine berührten sich leicht, da auch Noir nicht wusste, wohin mit ihren langen Schenkeln. Normalerweise buchte sie stets einen Platz ganz vorn, wo man sich herrlich ausstrecken konnte, doch leider waren diese begehrten Sitze schon vergeben gewesen.
Bei Vincents Anblick wurde ihr das Herz schwer. Hier saß ein a t traktiver Mann, der sein Leben gab, um sie zu beschützen, der alles für sie tat, um sie glücklich zu sehen. Eine Frau konnte sich keinen besseren Mann an ihrer Seite wünschen und dennoch wollte sie ihn verstoßen. Wie dumm sie war. Sie sollte sich wohl entschuldigen, doch dafür wollte sie mit ihm allein sein. Die vielen Stimmen der Passagiere raubten ihr die Konzentration; zusätzlich zum Gemurmel hörte Noir noch deren Gedanken: Wann sind wir endlich da? Wann kommt die Stewardess mit dem Kaffee? Hat er sich schon wieder dieses alte Hemd anziehen müssen? Mir reicht’s langsam mit ihr, ständig hat sie was an mir auszusetzen.
Noir fühlte sich müde und ausgelaugt. Die Entzauberung hatte sie mehr angestrengt, als sie gedacht hatte, und die vielen Stimmen machten sie fast wahnsinnig, weil sie kaum noch Kraft hatte, sie auszublenden. Sie lehnte sich zurück und rieb sich über die Schläfen.
„ Möchten Sie eine Aspirin oder ein Kissen haben? “ , fragte eine Stewardess.
„ Ein Kissen wäre wunderbar “ , antwortete sie und seufzte erleic h tert, als sie das weiche Polster in ihrem Nacken spürte. Sofort wu r den ihre Lider schwer wie Blei und das Stimmengewirr im Kopf verschwamm zu einem monotonen Rauschen. Ein wenig dösen und alles um sich herum ausblenden, wäre fantastisch.
„ Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? “ , fragte dieselbe Flu g begleiterin Noir kurze Zeit später, als sie mit ihrem Getränkewagen neben ihrer Sitzreihe stand.
Wasser , vernahm sie Vincents Gedanken, bevor sie erwiderte: „ Ein Wasser, bitte. “
Die Stewardess reichte Noir den Becher, dann wandte sie sich an Vincent. „ Und für den Herrn? “
„ Dasselbe, bitte “ , antwortete er.
„ Welches Sandwich hätten Sie gern: Käse oder Schinken? “
Noir liebt Käse , dachte Vincent, woraufhin ihr wieder bewusst wu r de, wie gut er sie kannte. Er selbst nahm Schinken.
„ Du weißt genau, was ich möchte, und ich weiß so wenig von dir “ , sagte Noir, als die Flugbegleiterin den Wagen eine Reihe weiter g e schoben hatte.
Vincent schaute sie unter hochgezogenen Brauen an, bis er a n scheinend verstand, was sie meinte. „ Es ist nur gerecht, dass du in meinem Kopf herumschnüffeln kannst, immerhin habe ich dich die letzten zehn Jahre fast ununterbrochen beobachtet “ , murmelte er. Hilfe, hoffentlich will sie nicht wissen, wie oft ich sie nackt gesehen habe!
Eine sanfte Röte überzog seine Wangen. Er war so süß. Süß und unschuldig. Sie wollte ihn haben, jetzt! Sein Bein streifte ihren Obe r schenkel. Einerseits beruhigte es sie, seine Körperwärme zu spüren, andererseits machte es Lust auf mehr. Noir beugte sich zu ihm, um ihm ins Ohr zu flüstern: „ Ich muss mal. Kommt mein Beschützer mit? “
„ Bitte? “ Vincent wurde erneut rot um die Nase. Beinahe hätte er sich das Wasser über die Hose geschüttet, so sehr zuckte seine Hand. Er verschluckte sich fast an seinem Sandwich, worauf er den Becher in einem Zug leerte und ihn dann auf die Tablettablage stellte. „ W a rum? “
„ Weil ich dich besser kennenlernen möchte. “
„ Auf der Toilette? “ Er schloss die Augen und stöhnte leise.
Noir sah die Beule, die sich in seinem Schritt gebildet hatte. Kurz fuhr sie über die
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