Herzen aus Stein (German Edition)
Aber diese Zeiten waren lange vorbei und würden nie wieder zurückkehren.
Ash ging zu den Überresten eines Turmes, um mit der Hand einen Kreis darauf zu ziehen. Es roch nach Ozon, als sich knisternd ein Portal materialisierte. Ash musste endlich nach London. Ein Info r mant hatte ihm zugetragen, dass sich die Hexe, die Ash vor zehn Jahren entkommen ließ, bald dort einfand. Diesmal würde er nicht zögern, sie seinem Herrn auszuliefern, denn er hatte genug von den Spielchen, genug vom Leben als Sklave. Er würde von nun an sein Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Kapitel 7 – Paris (Gegenwart)
N
oir unterbrach ihren geistigen Ausflug in die Ve r gangenheit. Sie befand sich nicht mehr in der U n terwelt, sondern auf dem Fabrikgelände der ehem a ligen Baumwollspinnerei. Jede Nacht erlebte sie in ihren Albträumen, wie der Höllenfürst ihre Eltern ermordet hatte. An vieles konnte sie sich nur schemenhaft erinnern, da sie unter Schock gestanden hatte, aber eines wusste sie mit Gewissheit: Ihr Vater war zurückgeko m men, Noir nicht. Er hatte mit dem Leben bezahlt, Noir hatte ihres feige gerettet. Diese Schuld lastete schwer auf ihr, obwohl sie wusste, dass sie richtig gehandelt hatte. Richtig und doch falsch.
Damals waren ihre Haare blond und ihr Gesicht noch nicht en t stellt. Inzwischen hatte sie sich mit der Schnittverletzung arrangiert. Sie erinnerte sie stets daran, welche Aufgaben vor ihr lagen. Was würde sie heute tun, wenn ihre Eltern noch lebten? Hätte sie einen Ehemann und Kinder? Nein – keine Kinder, obwohl sie gern welche gehabt hätte.
Seit jener albtraumhaften Nacht hatte sie an ihrem Haar nur noch die Spitzen geschnitten. Es war nicht mehr blond, sondern silbe r weiß nachgewachsen, und jetzt viel länger als früher, wo sie es kinnlang getragen hatte. Ob das an dem Schock lag, an dem Grauen, das sie durchgemacht hatte?
Sie wusste heute noch nicht, woher die Dämonen die Information hatten, dass ihre Familie die Amulette der Seelen bewachte. Dafür gab es nur eine Erklärung: Jemand aus ihren Reihen musste geredet haben, doch wer? Wer hatte gewusst, dass ihre Familie die Hüter waren? Noir hatte sich als Kind nie darüber Gedanken gemacht. Sie wusste lediglich, was es mit den Amuletten auf sich hatte. Beide z u sammen waren ungeheuer mächtig, deshalb durften die Dämonen niemals das zweite finden. Noir hatte es sich zur Aufgabe gemacht, das verschollene Medaillon aufzuspüren, um dann beide zu vernic h ten. Das erschien ihr die sinnvollste Lösung. Sie wusste nur noch nicht, wie sie das anstellen sollte, denn die Amulette ließen sich nicht zerstören. Ihre Eltern hatten das mehrmals versucht und wären be i nahe gestorben. Vielleicht würde Magnus ihr helfen können.
Eine Todesfee, eine sehr mächtige Dämonin, hatte die Amulette vor vielen Jahrhunderten erschaffen. Wenn beide Schmuckstücke gleichzeitig geöffnet wurden, saugten sie die Seelen der Menschen im Umkreis von einer Meile ein. Dämonen ernährten sich von Seelen, doch es war für sie nicht immer einfach, an diese zu gelangen. Aber mit beiden Amuletten …
Bei einem der großen Mythenweltkriege im Mittelalter waren die Amulette in die Hände einiger Zauberer gefallen, die es sich zur Au f gabe gemacht hatten, gefährliche Artefakte zu hüten. Die Schmuc k stücke waren schon seit Langem im Familienbesitz der LeMars und Noir hatte immer gedacht, über die Jahrhunderte hätten alle anderen vergessen, wer die Medaillons besaß.
Sie rief sich erneut ins Gedächtnis, was sie alles verloren hatte. Das half ihr, den Hass zu schüren und sich darauf vorzubereiten, zu t ö ten. In ihrem Inneren war sie keine Killerin, mochte es nicht sein.
Rache hatte ihr Herz stumpf werden lassen. Sie schottete es nach außen ab, um nie wieder so schwer verletzt zu werden. Als Kind hatte sie den Dämonen wehrlos gegenübergestanden und Tode s ängste gelitten – heute war sie nicht mehr wehrlos. Sie war eine mächtige Hexe.
Sie konzentrierte sich, sammelte ihre magische Kraft, sodass es in ihren Fingerspitzen kribbelte und das künstliche Haar ihrer Perücke leicht abhob, als wäre es elektrostatisch aufgeladen. Sie trug Per ü cken, um nicht erkannt zu werden. Sie hätte ihr Haar färben können, aber das wollte sie nicht. Es sollte sie immer an ihre Aufgabe eri n nern. Mittlerweile hatte es sich in der Unterwelt herumgesprochen, dass es eine verrückte Menschenfrau auf Dämonen abgesehen hatte. Das wusste sie von einem Höllenwesen,
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