Herzen im Feuer
Szene vorstellte. Wie mußte es diese feinen Damen entsetzt und schockiert haben, als der dunkelhäu- tige und fremdländische Don Luís in ihren englischen Salon spazierte, um seine Nichte nach Kalifornien zu entführen.
»Ich sehe, daß du dir die Situation vorstellen kannst. Miss Vaughan hatte sich inzwischen zu einer typischen Engländerin gemausert und wahrte ihrem Onkel gegenüber nur mit größter Mühe die nötige Höf- lichkeit. Für die Vorstellung, mit diesem Fremden nach Kalifornien zu reisen, konnte sie sich überhaupt nicht erwärmen. Außerdem entdeckte Don Luís zu seiner Bestürzung, daß sie sich bereits auf eine Heirat vorbereitete - allerdings mit einem englischen Grafen. Jedenfalls konnte er sie nicht davon überzeugen, daß sie ein fünfzehn Jahre altes Heiratsversprechen mit einem kalifornischen ranchero einlösen müßte.«
Mara schüttelte den Kopf, und ein Schatten legte sich über ihre Augen. »Und was hätte Don Luís davon, mich als seine Nichte auszu- geben? Denn ich werde diesen Knaben auf keinen Fall heiraten.«
»Mara, meine Liebe«, lachte Brendan, »soweit wird es keinesfalls kommen. Don Luís will nur etwas Zeit gewinnen. Das ist alles. Willst du all seine Herausforderungen zunichte machen? Wem schadet es schon, wenn du für eine Weile vorgibst, Amaya Vaughan zu sein? Dafür erläßt er uns alle Schulden und entlohnt uns noch zusätzlich. Denke nur an Paddy und daran, was das für ihn bedeuten würde. Und du würdest nicht zulassen, daß ein O’Flynn betteln muß, oder? Außer- dem«, fügte er düster hinzu, »lägest auch du selbst nicht auf der Straße. Und du brauchtest Jamie nicht zu entlassen. Sie ist zu alt, um noch eine Anstellung zu finden. Und was sollen wir essen? Vor allem, wenn Don Luís mich verhaften oder gar umbringen läßt, weil ich meine Schulden nicht bezahlen kann. Es ist unsere einzige Chance, Mara. Ich mache mich währenddessen auf den Weg zu den Goldminen. Und ehe du dich versiehst, sind wir reich. Vielleicht kaufe ich dem ranchero sogar sein Land ab. Also«, wollte Brendan abschließend wissen, »wie sieht es aus?«
Zornige Flecken bedeckten Maras Wangen. »Anscheinend hast du alle Trümpfe in der Hand, Brendan. Aber ich werde dieses Spiel nicht ohne Vorsichtsmaßnahmen spielen«, warnte sie ihn, stand auf und nahm Haube und Muff. »Du wirst mich nicht noch einmal zum Narren halten. Wenn Don Luís uns auszahlt, werde ich das Geld persönlich in Verwahrung nehmen.«
Brendan zuckte gleichmütig mit den Achseln. »Sicher. Das ist in Ordnung. Du kannst tun, was dir gefällt - solange du machst, was Don Luís dir sagt. Er wird dich in deine spanische Familie einführen, also sei eine brave Schülerin und lerne deine Lektionen. Wir alle werden es dir danken. Und Mara, meine Liebe«, warnte Brendan, »mach bloß keine Schwierigkeiten. Es schadet nichts, wenn du nett zu Don Luís bist. Und jetzt schau nicht so grimmig, meine Kleine. Vergiß nicht, du tust es auch für Paddy.«
Plötzlich fiel Mara etwas ein, und sie sagte: »Was Paddy betrifft, so werde ich ihn keinesfalls bei dir lassen, auch wenn du sein Vater bist. Wo wirst du dich also rumtreiben, Brendan, während ich mich als Amaya Vaughan verkleide und unser Geld verdiene?« fragte sie miß- trauisch.
»Ruhig, ruhig, Schwesterherz«, antwortete Brendan, die Hände be- sänftigend erhoben. »Kein Grund, sich aufzuregen. Paddy ist der Sohn deines verwitweten Cousins. Don Luís scheint Wert darauf zu legen,
daß ich ebenfalls mit von der Partie bin. Er hält uns für Mann und Frau und fürchtet, du könntest dich ohne mich einsam fühlen und vorzeitig aus dem Staub machen. Ich habe den Verdacht, Don Luís traut uns nicht über den Weg.«
»Dann ist er klüger, als ich dachte«, erwiderte Mara gnadenlos. »Du bist also mein Cousin, richtig?«
»Richtig. Brendan O'Sullivan, zu deinen Diensten.« Er verbeugte sich übertrieben tief. »Aufgrund meiner Erfahrungen hielt ich es für angebracht, nicht unseren wahren Namen zu verwenden.«
Mara schüttelte resigniert den Kopf und ging zur Tür. Doch bevor sie hinausging, wandte sie sich noch einmal um. »Du warst immer der bessere Schauspieler von uns beiden, Brendan. Vielleicht solltest du die Nichte spielen. Dein Gesicht ist ganz bestimmt hübsch genug.«
Mara lachte und schlug die Tür hinter sich zu, bevor Brendan zu fluchen beginnen konnte. Dann ging sie den schmalen Korridor entlang zu ihrer Kabine, die sie mit Paddy und Jamie teilte. Sie machte sich
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