Herzen im Feuer
früher enttäuschte Frauen an seinem Rockzipfel gehangen, nur um sich eine weitere Abfuhr einzuhandeln. Aber Molly war anders gewesen. Sie war Brendan nie nachgelaufen. Vielleicht hatte ihn gerade das angezogen, wie auch die Ähnlichkeit ihrer Tempera- mente.
Als sie sich vor vielen Jahren kennengelernt hatten, war Molly, die von sich behauptete, zur Hälfte Zigeunerin zu sein, nach London gekommen, um Schauspielerin zu werden. Sie hatte außerdem behaup- tet, siebzehn zu sein, aber Mara schätzte, daß sie mindestens zwanzig Jahre alt war, als sie sich der Truppe anschloß, zu der auch Brendan gehörte. Mit ihrer Durchsetzungskraft und ihrem Feuer hatte sie sich bald trotz der Intrigen der älteren Darstellerinnen einen festen Platz im Ensemble erobert.
Aber Molly war rastlos und fürchtete ständig, das Leben könne an ihr vorbeigehen. Nicht einmal Brendan mit seinem Charme konnte sie halten. Daß Molly und Brendan ein Liebespaar wurden, hatte Mara nicht überrascht. Diese Entwicklung war unvermeidlich gewesen, trotz der ständigen Streitereien und lautstarken Auseinandersetzungen, die ihr Verhältnis begleiteten. Mara hatte sich oft gefragt, wer von beiden wohl stärker sein mochte. Sie waren einander zu ähnlich, als daß beide gewinnen konnten.
Und dann hatte Molly entdeckt, daß sie schwanger war. Bei der Erinnerung an ihren Wutausbruch darüber lief Mara noch jetzt ein Schauer über den Rücken. Molly hatte tagelang geweint, war launisch und verzweifelt gewesen, denn sie befürchtete, daß ihre Karriere damit beendet war. Wovon sollte sie sich ernähren, ein Kind im Bauch und keinen Ring am Finger? Sie würde auf der Straße verhungern. Sie würde das Balg loswerden, bevor es das Licht der Welt erblickte, drohte sie. Und dann hatte Brendan Molly gebeten, ihn zu heiraten und das Kind zur Welt zu bringen. Ob er das aus Angst tat, sich gegen Gott zu versündigen - Mara vermutete insgeheim, daß Brendan trotz allem noch an ihn glaubte -, oder weil er Molly zu halten versuchte, wurde nie ganz deutlich.
Jamie hatte Molly noch nie leiden können, und Molly erwiderte
dieses Gefühl aus ganzem Herzen. Jamie war der Ansicht gewesen, daß sie nicht zu den O’Flynns paßte. Vielleicht war sie auch eifersüchtig, weil Molly so großen Einfluß auf Mara und Brendan ausübte.
Aber sie hatte Brendan zu Recht vor einer Heirat gewarnt, denn die Beziehung verschlechterte sich nach der Trauung zusehends. Molly haßte das Kind, das so gierig nach ihrer Brust suchte. Nachdem Mara einmal mitansehen mußte, wie Molly in einem Wutanfall den kleinen Paddy mißhandelte, nahm sie ihr das Kind weg.
Und eines Morgens war Molly plötzlich verschwunden. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen, war sie abgereist. Die gesamten, wenn auch mageren Ersparnisse der O’Flynns und all ihre Wertsachen hatte sie mitgenommen. Paddy, ihren Sohn, dagegen hatte sie zurückgelassen.
Der arme Brendan hatte in seinen kühnsten Träumen nicht damit gerechnet, daß Molly ihn verlassen könnte. Er hatte zum erstenmal einem Menschen vertraut. Und dieser Mensch hatte sein Vertrauen mißbraucht und ihn im Stich gelassen. Auch diese Erfahrung ließ sich Mara eine Warnung sein, sich niemals zu verlieben.
Nachdem Jamie verächtlich geschnaubt und »Auf Nimmerwiederse- hen. Ich hab' der diebischen Elster noch nie getraut« gemurmelt hatte, verlor niemand mehr ein Wort über Molly. Mara fragte sich manchmal, ob Brendan wirklich glaubte, Witwer zu sein. Es war die einzige Erklärung, die er sich für Mollys Verschwinden geben konnte. Ab und zu erwähnte jemand beim Theater ihren Namen, aber ihre Wege kreuz- ten sich nicht mehr. Seit einigen Jahren hatten sie überhaupt nichts mehr von ihr gehört.
Mara schaute liebevoll zu Paddy hinüber. Sie hoffte, daß Molly endgültig aus ihrem Leben verschwunden war. Paddy gehörte zu ihr, und sie würde es nicht zulassen, daß seine Mutter plötzlich wieder auftauchte und ihn ihr wegnahm.
Aber allein der Gedanke daran machte ihr Angst - Paddy machte sie verwundbar, durch ihn konnte man sie verletzen. Ihre Liebe, ihr schutzloses, weiches Wesen offenbarte sich jedem, der sie beobachtete, wenn sie liebevoll auf den kleinen dunklen Kopf herabblickte. Nur in Paddys Gegenwart verhielt sich Mara vollkommen natürlich. Sogar Brendan gegenüber verbarg sie ihre wahren Gefühle. Meistens spielten die beiden Geschwister ihren Intellekt gegeneinander aus. Wenn Mara dagegen mit Paddy zusammen war, konnte sie sich entspannen und
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