Herzen im Feuer
Schließe in den Finger gestochen. Versonnen starrte sie den Blutstropfen auf der Fingerbeere an, bevor sie den Finger in den Mund steckte und das Blut ablutschte.
»Jetzt ist es genug. Das verheißt nichts Gutes!« verkündete Jamie finster. Sie eilte zu Mara, erstaunlich behende für eine Frau von über sechzig Jahren, schlug ein Kreuz und murmelte ein Stoßgebet zu allen
Heiligen, die zufällig gerade zuhören könnten. Sie reichte kaum an Maras Schulter.
»Es sind wirklich schöne Steine«, meinte Mara nachdenklich, aber mit einem winzigen, verschmitzten Lachen in den Augen. »Vielleicht sollte ich sie ja doch behalten.«
Jamie richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter fünfzig auf, stemmte die Hände in die Hüften, und ihre blaßgrauen Augen sprühten vor Entrüstung. »O nein, Sie werden diese verfluchten Steine nich' behalten. Auf denen liegt Blut. Ich werd' nich' zulassen, daß so was in meine Nähe kommt oder in die von den O'Flynns. Wir haben schon ohne einen bösen Fluch genug Ärger.«
»Ach Jamie, beruhige dich wieder, ich wollte dich ja nur necken«, beschwichtigte Mara sie. »Aber du solltest achtgeben, daß Brendan sie nicht zu Gesicht bekommt. Er würde darauf bestehen, daß wir sie behalten.«
Jamie schnaubte mißbilligend. »Was Master Brendan nich' weiß, macht ihn nich' heiß. Und Sie brauchen gar nich' so scheinheilig zu lächeln, Missie. Ich seh' schon die dunklen Wolken, die sich über den O'Flynns zusammenbrauen«, prophezeite sie und schnappte im selben Augenblick Mara das Etui aus der Hand.
»Ich werd' dafür sorgen, daß Seine Lordschaft sein Eigentum sofort zurückkriegt«, erklärte sie, die dünnen Arme vor der Brust ver- schränkt, so daß das begehrte Etui darunter verschwand.
»Dann vergessen Sie nur das Medaillon nicht, MisTrèss Jameson! Und das Kleid!« ermahnte Mara sie sarkastisch.
Sie spazierte betont langsam zu ihrem mit Schnitzereien verzierten Schrank hinüber, suchte darin herum und zog schließlich ein burgun- derrotes Abendkleid aus feinem Samt heraus. Es war so elegant ge- schnitten, daß sogar der übliche Spitzenbesatz am Dekollete fehlte, weil nichts von der filigranen Linienführung ablenken sollte. Maras Hand strich über den dicken, weichen Stoff. Mit einem bedauernden und zugleich trotzigen Seufzer warf sie es sich über den Arm. Dann nahm sie das goldene Medaillon von ihrem Toilettentisch, schwang es wie ein Pendel hin und her und ließ es zu Jamie hinübersegeln.
Zu Maras Überraschung schnellte Jamies dürre, knochige Hand hervor und fing das Pendel im Flug auf. »Bravo!« rief sie und gestand damit ihr Niederlage ein. Dann reichte sie der älteren Frau das zusam- mengelegte Kleid.
»Ich werd' persönlich dafür sorgen, daß diese Geschenke zu ihrem Eigentümer zurückkehren«, verkündete ihr Jamie mit verkniffenem Mund.
Mara zuckte die Achseln, nahm ihre Bürste und begann, sich langsam ihr langes Haar zu bürsten. »Wie du meinst. Mich interessiert das alles nicht mehr«, erklärte sie gelangweilt. »Aber bleib nicht zu lange fort. Wir wollen schließlich morgen abreisen, und ich brauche dich beim Packen«, ermahnte sie die ältere Frau noch.
»Keine Angst, Jamie kommt immer rechtzeitig, da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen«, antwortete ihr die Alte über die Schulter, bevor sie aus dem Raum und aus Maras Blickfeld huschte.
Mara kämmte sich träge die seidigen Haarsträhnen, schaute dabei in den Spiegel, ohne etwas zu sehen, und gab sich ihren Gedanken hin. Sie empfand eine ungewohnte Schuld, als Lord Julian Woodridges Gesicht vor ihrem inneren Auge wiedererstand, aber kurz darauf sah sie ihr eigenes Antlitz vor sich im Spiegel und verbannte jeden Gedanken an ihn aus ihrem Kopf.
Ein ängstlicher Schrei riß Mara aus ihren Grübeleien. Sie ließ die Bürste fallen, eilte nach nebenan und bahnte sich ihren Weg durch das abgedunkelte Schlafzimmer bis zu dem Bett, das in einer Ecke stand. Der kleine Junge, der darin lag, streckte ihr seine Arme entgegen und schlang sie um ihren Hals, als Mara ihn hochhob und an sich drückte. Er preßte sein tränennasses Gesicht gegen den Samt über Maras Busen und versuchte ihr mit erstickter Stimme von seinem Traum zu erzählen.
»Ruhig, ruhig«, besänftigte ihn Mara. »Niemand will dich fressen, mein kleines Dummerchen.«
Er schniefte laut und protestierte dann: »Ich heiße Paddy, nicht Dummerchen.«
»Da hast du recht. Aber nur Dummerchen glauben an Riesenfrösche und Pilze mit
Weitere Kostenlose Bücher