Herzen im Feuer
noch einmal nach den darauf angebrachten Federn, bevor sie ihre eisigen Finger wieder in den warmen, wattierten Muff steckte. Sie hatte ihre Handschuhe vergessen, aber sie würde nicht wieder hinunter in die stickige Kabine gehen, um sie zu holen, nicht, wenn sie hier auf dem Deck stehen und die frische Luft genießen konnte.
Mara seufzte. Sie hoffte nur, daß dies nicht wieder eines jener ver- rückten Unternehmen würde, die für Brendan so typisch waren. Und wer kannte Brendan O'Flynn besser als sie? Er war schließlich ihr Bruder und darüber hinaus ein charmanter irischer Draufgänger. Seine dunklen Augen und sein jungenhaftes Grinsen führten seine Mitmen- schen immer wieder in die Irre.
Mara blickte wieder auf das ferne Ufer. Der Anblick machte all ihre Träume vom süßen Leben zunichte. Es sah aus wie Irland! Weiße, schaumgekrönte Brecher donnerten gegen heimtückische Felsen, die den Betrachter in seine Grenzen wiesen und sich jeden ungebetenen Besuch verbaten. Mara hatte das unbestimmte Gefühl, daß die O'Flynns nicht hierhergehörten. Aber wie sollte sie Brendan davon
überzeugen? Er baute lieber Luftschlösser. Und er sprach gern und so lange darüber, bis ihnen nichts als Schulden und ein ruinierter Ruf geblieben waren. Was nicht bedeutete, daß Brendan oft seinen wirkli- chen Namen verwendete, wenn er einen neuen Plan ausgeheckt hatte.
Mara erinnerte sich daran, wie er sie mit seiner Begeisterung ange- steckt hatte, als er ihre Reise nach Amerika plante, in jenes Land, das angeblich in seinem eigenen Reichtum erstickte. Welcher normale Mensch konnte schon jenen sagenhaften Goldbergen widerstehen, die in einem kaum besiedelten Land der Entdeckung harrten? Man mußte sie nur finden. Welch eine Verlockung war das für die Armen Europas, die im Elend geboren waren und deren Kinder und Enkel das gleiche Schicksal erwartete! Obwohl die O'Flynns natürlich nicht zu den Armen gehörten, ermahnte sich Mara.
Im Gegenteil, der Stammbaum der O'Flynns reichte bis zu den ersten irischen Königen zurück, und sie gehörten durch ihre Abstam- mung zu den großen Familien des Landes. Doch leider waren sie kein legitimer Teil jener Sippe, denn Mara und Brendan waren Bastarde. Ihr Vater, ein wahrer Gentleman, hatte ihrer Mutter, einer Schauspielerin, ein vornehmes Haus in Dublin überlassen. Auch an Geld hatte es nie gemangelt, und obwohl die beiden Kinder von der haute monde ausge- schlossen waren, wurden Mara und Brendan von guten Privatlehrern unterrichtet. Sie lernten auf aristokratische Weise reiten und hätten sich sogar in der vornehmsten Gesellschaft zu betragen gewußt, wären sie nur zu einer eingeladen worden.
Aber während die Kinder heranwuchsen, wurde ihr Vater seiner alternden Geliebten überdrüssig. Maras Mundwinkel senkten sich traurig, als sie sich die abrupten Veränderungen ins Gedächtnis rief, die dann einsetzten. Ihr nobles georgianisches Geburtshaus, Hort ihrer Kindheitserinnerungen, mußten sie aufgeben. Auch die Pferde und Kutschen, die Kammerdiener und Butler, das Personal waren fort. Nur Jamie, die langjährige Zofe und Vertraute ihrer Mutter, war bei ihnen geblieben.
Aber nicht nur der materielle Reichtum wurde ihnen genommen, auch ihr Glück. Denn Maud O'Flynn hatte einen tragischen Fehler begangen. Nachdem sich die Affäre mit ihrem Liebhaber über fünfzehn Jahre hingezogen hatte, war sie so töricht gewesen, sich in ihn zu verlieben. Sie hatte ihm ihre Jugend geschenkt, aber sie hatte sich nie darüber Gedanken gemacht, welche Zukunft ihr bevorstehen würde,
wenn ihre Schönheit einst vergangen war. Maud hatte vor lauter Liebe zu diesem Mann eines vergessen - daß er in erster Linie von dieser Schönheit angezogen worden war.
Außerdem hatte Maud O'Flynn nicht begriffen, daß sie als Geliebte keinerlei Rechte hatte, daß sie so leicht abgelegt werden konnte wie ein Paar abgetragene Schuhe oder ein altmodischer Hut. Ihr würde das niemals widerfahren, hatte sie geglaubt. Doch es war geschehen. Maras Gesicht wurde selbst jetzt, elf Jahre danach, noch heiß, wenn sie daran dachte, zu welch erniedrigenden Szenen es beim Abschied gekommen war. Wie sie packen und alle wertvollen Gegenstände zurücklassen mußten, die ihnen plötzlich nun nicht mehr gehören sollten.
Nur wenige derartige Verbindungen enden freundschaftlich, und wo einst die Liebe geblüht hat, bleibt oft nur bitterer Haß. Maud war an ihren eigenen Träumen zerbrochen, vergessen von einem Mann, dem sie mehr
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