Herzen im Feuer
dessen hatte er nur eine Frau namens Amaya Vaughan aufgestöbert. Was für ein Narr war er gewesen. Wie hatte er nur glauben können, das Schicksal würde es ihm so leicht machen?
Ein verächtliches Lachen entrang sich ihm. Er hatte seinen Augen nicht getraut, als er direkt vor sich jenes Gesicht erblickte, das ihn seit mehr als zwei Jahren verfolgte. Wer hätte auch erwartet, Mara O'Flynn im Speisesaal eines Hotels in Sacramento City zu entdecken? Er war zwar ein passionierter Spieler, aber darauf hätte nicht einmal er eine Wette abgeschlossen.
Zwei Jahre. War wirklich so viel Zeit vergangen, seit er an Julians Bett stand, sah, wie er litt, und hörte, wie er im Fieberwahn jene Frau verfluchte, die ihm das angetan hatte? Schon am nächsten Morgen hatte sich Nicholas auf den Weg zu ihrer Wohnung gemacht, nur um zu erfahren, daß sie in Richtung Festland abgereist war. Er hatte Detektive auf sie angesetzt, obwohl er nicht einmal wußte, was er tun sollte, wenn man sie finden würde. Schließlich erhielt er die Nachricht, daß sie zusammen mit einem Mann, der ebenfalls O'Flynn hieß, in einem Pariser Hotel lebte. Wahrscheinlich war das ihr Ehemann, der aber angenehmerweise die meiste Zeit auf Reisen war.
Doch noch bevor er nach Paris abreisen konnte, waren beide wieder spurlos verschwunden. Sie waren mitten in der Nacht aufgebrochen, ohne ihre Hotelrechnung zu bezahlen.
Er hatte damit gerechnet, daß sie irgendwann an einem Pariser oder Londoner Theater wieder auftauchen würden, vielleicht auch in Dub- lin, da sie beide Iren waren. Aber dann war etwas Unerwartetes gesche-
hen, das seine Rachepläne durchkreuzte. In Kalifornien hatte man Gold gefunden, und zusammen mit Tausenden anderer hatte auch er be- schlossen, dort sein Glück zu machen. Mitten in der Nacht hatte er seinen alten Freund und Reisegefährten Karl Svengaard aus einem warmen Bett und aus den Armen einer drallen Näherin gerissen. Nach- dem er den großen, kräftigen Schweden erst besänftigt hatte, war es nicht schwer gewesen, ihn davon zu überzeugen, daß sich das Aufste- hen ganz bestimmt auszahlen würde.
Sie schifften sich sofort nach New York ein, wo sie im Frühling 1849 angekommen waren. Für den Platz auf einem Dampfer, der sie durch den Isthmus von Panama nach Kalifornien bringen sollte, zahlten sie den Phantasiepreis von dreihundertfünfzig Dollar. Trotzdem würde sich die Investition lohnen, denn so brauchten sie nur einen Monat, um an ihr Ziel zu gelangen. Die Reise um Kap Hoorn dagegen dauerte sieben Monate.
Das überladene Dampfschiff grub sich langsam durch den stürmi- schen Atlantik bis hinunter nach Florida. Der Golfstrom trug sie von dort hinüber auf die Insel Kuba. Nach einem kurzen Zwischenstop in Kingston, Jamaica, kreuzten sie durch die Karibische See nach Chagres, den Seehafen an der karibischen Seite der Landenge von Panama. Von hier aus mußten sie quer durch das Land bis nach Panama City gelan- gen, wo sie ein weiteres Dampfschiff besteigen würden, das sie nach Kalifornien bringen sollte. Die ersten achtzig Kilometer legten sie in Einbäumen zurück, die von den indianischen Eingeborenen den Rio Chagres hinaufgesteuert wurden. Oft mußten sie sich unter Lianen hinwegducken, die von mächtigen Platanenästen herabhingen, und immer wieder wurden sie vor den plötzlichen Regengüssen gezwun- gen, in primitiven Hütten Schutz zu suchen, die an moskitoverseuchten Flußufern standen. Die letzten vierzig Kilometer mußten sie auf Maul- tieren reiten, in trockenen Bachläufen und an steilen Berghängen ent- lang. Nach fünf Tagen hatten sie die Urwälder von Panama durchquert. Während dieser Zeit mußten sie sich durch knietiefen Schlamm kämp- fen und sich in schweißnassen Kleidern der Scharen von Bremsen und Moskitos erwehren, die nach ihrem Blut trachteten.
Als sie Panama City erreichten, entdeckten sie zu ihrem Entsetzen, daß Tausende von Goldsuchern in und außerhalb der Stadt kampierten und ungeduldig auf die Überfahrt nach Kalifornien warteten. Weil die Plätze auf den Schiffen meist mehrfach verkauft worden waren, wurden
die Tickets zu weit überhöhten Preisen gehandelt. Er und der Schwede gehörten zu den Glücklichen unter den Abenteurern, denn sie besaßen die nötigen Mittel, um sich ihre Überfahrt zu erkaufen. Die weniger vom Glück Beschienenen, die entweder zu krank oder zu arm waren, um die Reise fortzusetzen, blieben in Panama einem ungewissen Schicksal überlassen.
Nicholas betrachtete wieder die
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