Herzen im Feuer
Dämmerung, die inzwischen den kalifornischen Himmel blaßblau färbte. Das alles war inzwischen bei- nahe ein Jahr her. Ein Jahr lang hatte er geschürft, bis ihm das Blut von den Händen troff, hatte bis zu den Hüften in eiskaltem Flußwasser gestanden oder in gleißender Sonne die Hacke über seinen Kopf ge- schwungen, alles nur für die winzigen goldenen Körnchen. Sie hatten von Bohnen und Speck, Teigfladen und manchmal einem Stück Fleisch gelebt, das sie über dem offenen Feuer rösteten. Hoch oben im Westteil der Sierra Nevada hatten sie ihr Glück versucht, wo vor gar nicht langer Zeit noch Elchherden und Hirsche, Grizzlys und Hasen durch die jungfräulichen Wälder gezogen waren.
Von Tagesanbruch an suchten er und der Schwede in einem Fluß nach Gold. Das eiskalte Schmelzwasser wirbelte um ihre Hüften, wäh- rend sie die flache Goldwaschpfanne kreisen ließen, bis ihre Arme sich anfühlten wie aus Blei und ihre Beine taub vor Kälte waren. Wenn sie bis zum Sonnenuntergang arbeiteten, bekamen sie vielleicht sechzehn oder zwanzig Dollar zusammen, ein magerer Gewinn, wenn man be- dachte, daß ein Ei einen Dollar und ein Paar Schuhe vierzig Dollar kosteten. Die heißen Sommermonate hatten sie durchgearbeitet, aber nur wenig mehr als das Lebensnotwendige erwirtschaftet. Dann be- gann die Regenzeit, und sie waren wochenlang zur Untätigkeit ver- dammt. Sie durften ihren Claim auf keinen Fall verlassen, und so hockten sie über Monate hinweg in ihrer Hütte, wo sie sich die Zeit mit Spielen und Trinken vertrieben. Die Straßen der Goldgräberstädte wanden sich an steilen Abhängen entlang oder durch tief eingeschnit- tene Canyons und waren im Sommer staubig und im Winter schlam- mig. Immer waren sie mit Müll übersät, den die Goldsucher einfach vor ihre Hütten warfen. Das schönste Gebäude war in allen Orten der Spielsalon, wo die erschöpften, wettergegerbten Abenteurer ihr schwer erarbeitetes Geld für Whiskey und Frauen herauswarfen.
Nicholas entsann sich jetzt der Ereignisse, die ihn nach Sacramento City gebracht hatten. Zuerst hatte er gedacht, daß sein Pech im Grunde
ein glücklicher Zufall gewesen sei, aber jetzt mußte er sich eingestehen, daß er sich etwas vorgemacht hatte. Wie hatte er nur glauben können, daß der Beinbruch des Schweden ihm Glück bringen könnte? Sie hatten an einem Long Tom gearbeitet, einer sechs Meter langen Holzrinne, an deren unterem Ende ein Schüttelsieb angebracht war. Darunter befand sich ein Auffangbehälter für das Gold, das aus dem Wasser herausgewa- schen wurde. Normalerweise arbeiteten drei oder vier Männer an einem Long Tom. Zwei stellten sich am Kopfende der Rinne auf, durch die Wasser floß, und schaufelten Dreck hinein, und unten bediente ein Mann das Sieb. Die schweren Goldstücke fielen dann in den Behälter hinunter, während die leichteren Erdpartikel vom Wasser fortge- schwemmt wurden.
Nicholas schalt sich selbst dafür, daß er sich vom Schweden hatte überreden lassen, mit ihm allein den Long Tom zu bedienen, um ihren Gewinn nicht mit weiteren Partnern teilen zu müssen. Der Schwede hatte den Dreck in die Rinne geschaufelt, während er selbst unten am Sieb gestanden hatte. Auf einmal war der Trog, der am Hang lehnte, ins Rutschen geraten. Der Schwede hatte versucht, ihn aufzuhalten, war aber statt dessen kopfüber in die Rinne gestürzt und mit dem gesamten Holzgerüst den Hang hinunter in den Fluß geschlittert. Ein paar lose Bretter und gebrochene Knochen waren alles, was von ihrer Arbeit an dem Long Tom übrigblieb. Doch der ungeschickte und nutzlose Ret- tungsversuch hatte Nicholas die nötige Zeit gegeben, zur Seite zu springen. Er blieb vollkommen unbeschadet und mußte nur die Flüche und Beschimpfungen seines verletzten Kameraden über sich ergehen lassen.
Diesmal hatte er den Rat des Schweden ignoriert, der gemeint hatte, er könne die Knochen selbst einrichten und ausheilen lassen. Mit der Drohung, ihn an Händen und Füßen zu fesseln, hatte er den riesigen Mann schließlich überzeugen können, mit ihm nach Sacramento City zu kommen. Nicholas hatte zu viele Goldgräber sterben sehen, nach- dem ihnen von einem wohlmeinenden Freund oder einem Kurpfuscher ein Arm oder Bein amputiert worden war.
Das Bein des Schweden war an jenem Morgen gerichtet worden, an dem er im City Hotel gesessen und jene Frau gesehen hatte, von der er glaubte, sie sei Mara O’Flynn. Ein paar Tage blieb er noch in der Stadt, bis der Schwede über den Berg war,
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