Herzen im Feuer
dann machte er sich auf die Suche nach der Frau, die er im Speisesaal nur flüchtig erblickt hatte. Er ließ
den Schweden in einem Hotel und in der Obhut einer französischen Kartengeberin zurück, die gleichermaßen von den blauen Augen des Nordländers wie von seinem Beutel mit Goldstaub angezogen wurde.
Nicholas hatte keine Befürchtungen, dadurch allzuviel Zeit zu ver- lieren. Der Schwede würde mindestens einen Monat lang liegen müs- sen, und die Gelegenheit, Mara O’Flynn zu treffen, schien zu günstig, um sie ungenutzt verstreichen zu lassen.
Aber nun schienen all seine Bemühungen umsonst gewesen zu sein.
Er zog gedankenverloren das goldene Medaillon aus seiner Jackenta- sche und ließ es an der feinen goldenen Kette herunterbaumeln. Dann öffnete er es und betrachtete ein Gesicht, das er beinahe wie sein eigenes kannte. Fast glaubte er ein höhnisches Kichern zu hören. Und blickten die mandelförmigen Augen nicht jeden Tag verächtlicher? Nicholas schnaubte wütend. Er war wie besessen von einer Frau, der er nie begegnet war, nur weil er seiner Schwester ein Versprechen abgegeben hatte. Dabei hatte sich Julian inzwischen wieder erholt, wenn er auch sein Krankenlager nicht ohne Narben an Leib und Seele verlassen hatte. Doch er hatte seine Lektion gelernt; bestimmt würde er das nächste Mal sein Herz nicht so schnell verschenken.
Ein grausames Lächeln verzerrte Nicholas' Lippen, als er an die Lektion dachte, die er Mara O’Flynn trotzdem gern erteilen würde. Die Arroganz dieser Frau, der das Schicksal eines normalen Sterblichen vollkommen gleichgültig war, erzürnte ihn. Er betrachtete wieder die Miniatur in dem Medaillon. Sein markantes, hübsches Gesicht wurde nachdenklich, als er über die Frau sinnierte, der er heute begegnet war. Sie war identisch mit diesem Porträt. Und doch war sie nicht Mara O’Flynn. Er stand vor einer schwierigen Entscheidung. Sollte er seinem Instinkt vertrauen - der ihm sagte, daß hier der Schein trog -, oder sollte er den Kaliforniern glauben, die sie als ihre Verwandte bezeichneten? Sie hatten keinen Grund, ihn zu belügen.
Auf jeden Fall konnte er noch eine Weile bleiben. Ihm tat die Ruhe gut, und der Schwede konnte ihn mindestens eine Woche lang nicht brauchen. Außerdem hatte er momentan nichts Besseres zu tun, und diese Amaya Vaughan, die Mara O’Flynn so erstaunlich ähnlich sah, hatte seine Neugier geweckt.
Sie kannt' keine Furcht, denn sie kannt' keine Sünde
JOHN DRYDEN
Kapitel 4
»Mir gefällt das überhaupt nicht, Jamie«, sagte Mara, als sie Paddys erhitztes Gesicht sah.
»Daran hätten Sie gestern denken sollen. Der Kleine war den ganzen Tag in der Sonne, hat weiß der Himmel was gegessen und is' dann noch durch die kalte Nacht geritten.« Jamie zog wütend die Decke über Paddys kleiner Gestalt zurecht. »Überrascht mich bloß, daß Sie nich' auch Schnupfen haben. Aber Sommersprossen haben Sie gekriegt, im ganzen Gesicht. Erst schwitzen und dann frieren ist die sicherste Me- thode, krank zu werden.«
»Wahrscheinlich gibt es hier keinen Arzt«, seufzte Mara und legte ihre kühle Hand auf Paddys heiße Stirn. »Aber Paddy hat oft Hals- schmerzen; vielleicht ist es nichts Ernstes.«
»Ich hab' Sie und Brendan von so vielen Husten und Krankheiten geheilt, da werd' ich Paddy wohl allein durchkriegen. Sie brauchen gar nich' erst nach so 'nem neunmalklugen teuren Doktor zu suchen.« Jamie war aufrichtig entrüstet, daß man es wagte, ihre Fähigkeiten anzuzweifeln.
Paddy schniefte laut und nieste dann, so daß seine dunklen Locken über das Kissen wirbelten. »Ich will nicht im Bett bleiben, Mara«, beschwerte er sich. »Gestern am Fluß war es so schön! Don Andres hat gesagt, ich darf auf einem eigenen Pony reiten wie die anderen Kinder.«
»Ach ja, hat er das gesagt?« fragte Mara erstaunt. Ihr Blick verriet Zweifel. »Da habe ich allerdings auch noch ein Wörtchen mitzureden. Ich hoffe, du hast nicht geflunkert, wie gut du reiten kannst, Paddy.«
»Ich bin kein Baby mehr, Mara«, erwiderte Paddy ärgerlich. Er schaute sie vorwurfsvoll an. »Du gönnst mir überhaupt keinen Spaß.«
»Paddy!« Mara wirkte verletzt. »Wie kannst du nur so etwas sagen? Du solltest dich bei mir entschuldigen, Padraic.«
»Nehmen Sie's dem Kleinen nich' übel, er fühlt sich doch nur schlecht«, versuchte Jamie Mara zu besänftigen.
Paddy schob schmollend die Unterlippe vor und starrte auf den Ärmel seines Nachthemds. Er weigerte sich, Mara in die Augen zu
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