Herzen im Feuer
sehen.
»Gut, junger Mann, wenn du so denkst, kann ich ja gehen«, sagte Mara ungeduldig und rieb sich ihre pochende Schläfe. Sie war nicht in der Stimmung, eine von Paddys Launen über sich ergehen zu lassen. »Achte darauf, daß er im Bett bleibt, Jamie. Ich komme heute nachmit- tag noch einmal vorbei.«
Ohne sich noch einmal umzudrehen, marschierte Mara zur Tür, aber bevor sie sie erreicht hatte, rief Paddy ihr nach.
»Mara, ich hab's nicht so gemeint, bitte sei nicht böse«, schluchzte er. Seine Lippen bebten vor Angst, daß seine geliebte Mara ihn ebenso kalt und unnachgiebig anschauen könnte, wie sie andere Leute ansah.
Mara drehte sich um und kehrte ans Bett zurück. Paddy hatte sich vor Angst auf die Knie erhoben und streckte ihr seine Arme entgegen. Mara drückte ihn fest an sich und küßte ihn auf beide heiße Wangen, bevor sie ihn wieder mit den warmen Decken zudeckte.
»Ach, Paddy, mein Lieber«, murmelte sie leise, »wenn du nicht so ein Lauser wärst, würde ich dich wahrscheinlich gar nicht so liebhaben.«
Paddy pflanzte einen feuchten Kuß auf Maras Wange und sank in die Kissen zurück, ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht.
Jamie knurrte mißbilligend. »Eines Tages wird jemand Sie ebenso um den Finger wickeln, wie Sie es immer mit uns tun, Mara O'Flynn«, prophezeite sie.
»Ich glaube kaum«, antwortete Mara mit einer arroganten Kopfbe- wegung. Ein selbstgefälliges Lächeln umspielte ihre Lippen.
Nachdem sie Paddy noch versprochen hatte, bald zurückzukom- men, verließ sie das Zimmer und machte sich auf den Weg zum Eßzim- mer, wo sich um diese Zeit die Familie zum Frühstück versammelte.
Als Mara den Raum betrat, wirkte sie sehr diskret und damenhaft. Sie trug ein zimtfarbenes Kleid mit hohem Kragen und kleinem weißen Spitzenbesatz, der zu den Spitzen an ihren Ärmeln paßte. Mit ernster
Miene grüßte sie Brendan, der gerade eine Tasse starken schwarzen Kaffee trank und ihr mit angestrengter Miene zunickte, bevor er die heiße Flüssigkeit hinunterschluckte.
»Morgen, meine Liebe«, hieß er sie willkommen, als sie sich neben ihm am halbleeren Tisch niederließ. Zufällig hatte Brendan heute auch einen braunen Gehrock gewählt, den er zusammen mit einer champa- gnerfarbenen Weste trug. Jedem aufmerksamen Beobachter mußte die Ähnlichkeit zwischen Bruder und Schwester ins Auge fallen.
»Du siehst nicht gut aus«, stellte er offenherzig fest, als er ihre leichte Gesichtsrötung sah.
»Wieder diese verdammten Kopfschmerzen«, flüsterte Mara leise und schenkte Doña Ysidora ein freundliches Lächeln, während sie das ihr angebotene Rindfleisch ablehnte.
»Sie sind viel zu dünn, Amaya«, erklärte Doña Ysidora ernst und mit einem mißbilligenden Blick auf das Mädchen, das an seinem Kaffee nippte. »Sie brauchen mehr Fleisch auf den Knochen, dann werden Sie glücklicher und zufriedener - wie Doña Jacinta vielleicht«, fügte sie spitz hinzu, denn letztere neigte eindeutig zur Pummeligkeit.
Doña Jacinta lächelte nur und nahm sich noch etwas Ei. »Luís gefällt es«, bemerkte sie gelassen, dann warf sie Brendan einen vieldeutigen Blick zu und fügte verschmitzt an: »Und anderen Männern vielleicht auch.«
Brendan beeilte sich, die tortilla in seinem Mund mit einem kräftigen Schluck Kaffee hinunterzuspülen und antwortete galant: »Madame, Sie sind die Verkörperung des europäischen Schönheitsideals. Um die Wahrheit zu sagen, Sie ähneln unserer lieben Königin Victoria ganz erstaunlich. Sie ist auch eine kleine, äh, wohlgeformte Dame. Und charmant, sehr charmant«, fügte er hinzu, als wollte er eine persönliche Bekanntschaft andeuten.
»Sie sind der Königin von England begegnet?« hauchte Doña Jacinta sichtlich beeindruckt.
»Nun, wir sind einander bei einigen offiziellen Anlässen begegnet«, erklärte Brendan bescheiden.
Mara grinste in ihre Kaffeetasse und fragte dann unschuldig: »War einer dieser Anlässe nicht ein Theaterbesuch?«
Brendan gab vor, sich zu konzentrieren. »Ich glaube, du hast recht, meine Liebe«, antwortete er ihr schließlich ganz ernsthaft.
Das Lächeln lag immer noch auf Maras Lippen, als Nicholas Chan-
tale und Don Andres eintraten. Der Franzose war einfach gekleidet und hatte Don Andres offenbar auf seinem morgendlichen Ausritt begleitet. Er trug staubige, kniehohe Stiefel, und unter seinem dunkel- grünen Reitgewand waren eine Lederweste und ein geknotetes Hals- tuch zu sehen. Seine schwarzen Locken waren windzerzaust, und
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