Herzen im Feuer
blieben lieber in ihren halbwegs warmen Kabinen. Mara musterte den spanischen Herrn mißtrauisch und mit stolz vorgerecktem Kinn, um ihm deutlich zu machen, wie wenig Wert sie auf seine Unterhaltung legte. Etwas an diesem Spanier mißfiel ihr. Sie hatte ihn einmal bei einem Gespräch mit Brendan beobachtet, und schon damals hatte sie instinktives Mißtrauen ihm gegenüber verspürt. Gut, er war charmant, das mußte Mara zugeben, aber vielleicht miß- traute sie ihm gerade deswegen. Er war zu höflich, zu zuvorkommend, zu sehr Gentleman, um aufrichtig zu sein.
Don Luís Cristobal Quintero blickte versonnen in das abweisende Gesicht der jungen Frau, die, mit dem Rücken an die Reling gelehnt, vor ihm stand. Mit Bedauern nahm er die Feindseligkeit in ihrem Blick wahr. Man hatte ihn davor gewarnt. Aber er würde sich keinesfalls umsonst bemühen, zuviel hing von seinem Erfolg ab. Er hatte schon einmal beinahe alles wegen der Selbstsüchtigkeit einer Frau verloren, und er hatte sich geschworen, daß ihm das kein zweites Mal widerfah- ren würde.
»Bei einem solchen Wetter sollten Sie nicht ohne Begleitung an Deck sein, Señora«, tadelte sie Don Luís mit gerade angemessener Betroffen- heit. Trotzdem spürte Mara die Falschheit in seinen Worten.
»Es kann so viel auf offener See geschehen. Wenn Sie den Halt verlieren sollten«, spekulierte er mit einem bedächtigen Kopfschütteln, »würde niemand Sie vermissen. Und ich glaube nicht, daß Sie in diesem eiskalten Wasser lange überleben könnten.«
Don Luís schauderte scheinbar bei dem Gedanken und lächelte dann entschuldigend. »Aber vielleicht können Sie ja schwimmen, Señora? Die Europäer verfügen ja über derart viele Fertigkeiten, daß ich immer wieder staunen muß.«
Mara wandte ihr Gesicht ab, um das leicht spöttische Lächeln auf Don Luís' alterndem aristokratischen Gesicht nicht länger ertragen zu müssen. Obwohl hoch über ihnen die Matrosen in der Takelage herum- kletterten, um neue Segel anzubringen, begann sie zu zittern. In Gegen- wart dieses Spaniers fühlte sie sich auf einmal verwundbar.
»Señor, ich habe nicht die Absicht, über Bord zu gehen. Und wenn Sie jetzt so freundlich wären...?« Mara wollte sich an ihm vorbeischie- ben, aber Don Luís verstellte ihr den Weg, den Blick fest auf sie gerichtet.
»Ihr Gatte, Señor Brendan, hat keineswegs eine so glückliche Hand, wie er Sie glauben machen möchte. Fragen Sie ihn einfach, ich bin sicher, daß Sie seine Antwort recht aufschlußreich finden werden. Adiós«, verabschiedete sich Don Luís. Er machte sich über sie lustig, indem er sich mit übertriebener europäischer Galanterie vor ihr ver- beugte. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und stolzierte davon.
Mara sah ihm verwirrt nach. In ihrer Magengegend begann es zu kribbeln. Hatte sie ihn richtig verstanden? Hatte der weltgewandte Don ihr tatsächlich gedroht? Ihre Phantasie mußte ihr einen Streich gespielt haben, von ihrer Abneigung gegen diesen Mann angestachelt. Aber sollte Brendan sie tatsächlich wieder angelogen haben, dann würde sie es nicht bei einer bloßen Drohung belassen.
Mara arbeitete sich über das schwankende Deck zu der Tür vor, die nach unten zu den Kabinen führte. Ein leichtes Lächeln flog über ihre Lippen, als sie daran dachte, wie der Spanier sie angesprochen hatte. Er hatte sie Señora genannt. Es war Brendans Idee gewesen, als Mann und Frau zu reisen, und zusammen mit Paddy gaben sie das Bild einer idealen Familie ab. Auf diese Weise war nicht nur sie vor den uner- wünschten Avancen einsamer Männer geschützt, auch Brendan wirkte gleich viel respektabler. Das war auch nötig, denn arbeitslose Schau- spieler waren überall schlecht angesehen. Und gar nicht mal zu Un- recht, dachte Mara, als sie sich an die vielen unbezahlten Hotelrech- nungen erinnerte, die sie zurückgelassen hatten, nachdem sie im Schutz der Nacht davongeschlichen waren.
Der Kabinengang war dunkel, aber Mara brauchte kein Licht, um Brendans Tür zu finden. Sie klopfte zweimal, als sie seine Fiedel hörte. Er spielte die port na bpucai so schön - irische Zaubermusik, die ein Teil von ihr war, Teil all jener Erinnerungen und Teil ihres Aberglau- bens, die sie zu dem gemacht hatten, was sie waren. Mara schüttelte die tief sitzende Furcht ab, die in ihr hochsteigen wollte, und trat ein. Ungeduldig klopfte sie mit dem Fuß auf den Boden, bis die letzten Töne in der kalten Kabine verhallt waren.
»Ein Wunder, daß du hier drin
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