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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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abnehmender Intensität des magnetischen Nordpols die Blutegelpopulation vergrößerte.
    Katharina schien von seinen Beobachtungen fasziniert, während der Gutsherr eher Langeweile zum Ausdruck brachte. Er polierte sein Weinglas mit einem Zipfel seines Polohemdes.
    Pedus konnte nicht mehr sitzen. Er stand auf und ging durch den Raum. Er berichtete jetzt, wie ihm nach einiger Zeit aufgefallen war, daß er aufgrund der Messungen menschliches, insbesondere kollektives Verhalten vorhersagen konnte. Sehr schnell zeigte sich, daß viele Daten immer dann deutliche Abweichungen aufwiesen, wenn es zu ungewöhnlichen Vorfällen im Dorf kam. Rudolf Pedus hielt seine Kurven in die Höhe und deutete auf den dreijährigen Rhythmus von Gewalttaten und die davor in die Höhe schießenden und in die Tiefe fallenden Meßergebnisse. Er war am Ende seines Vortrages. Jan lächelte amüsiert. Auf Katharinas Gesicht zeigte sich Fassungslosigkeit und ein wenig Furcht.
    »Und nun«, Rudolf Pedus senkte seine Stimme, »ist genau dieser Punkt erreicht. Wahrscheinlich heute oder morgen, spätestens übermorgen wird etwas geschehen.« Er machte eine kurze Pause. »Ich weiß nicht, was es sein wird, aber es wird Blut fließen, vielleicht Tod und Verderben bringen«, schoß er über sein Ziel hinaus.
    Jan betrachtete Katharina, dann lächelte er, stand auf, steckte die Hände tief in die Taschen und trat hinter seinen Sessel. »Gestatten Sie mir, daß ich einige Zweifel einwerfe. Wenn Ihre Zahlen stimmen – und ich bin davon überzeugt –, dann fehlen einige wichtige Parameter. Zum Beispiel stand jedesmal eine Hochzeit bevor. Diesmal fehlt sie. Aber weiter: Nach Ihrer Statistik hat es immer in den achtundvierzig Stunden vor der Gewalttat einen Todesfall gegeben. Meine gute alte Haushälterin ist schon länger tot, allerdings noch nicht unter der Erde.«
    »Es sind zwei von vierzehn Daten, die uns noch fehlen, ich bitte Sie! Außerdem: Es sind vielleicht Daten, die wir nur noch nicht kennen. «
    »Mag sein.« Jan sah wieder zu Katharina, und Rudolf Pedus wußte schon, daß er nun seine Daten ins Lächerliche ziehen würde.
    »Sie halten mich für einen Spinner?« kam der Pastor dem Gutsherrn zuvor.
    »Nein, absolut nicht. Sie handeln aus Sorge um unser Dorf.«
    »Dann tun Sie etwas?«
    Jan schüttelte langsam den Kopf. »Sie müssen zugeben, daß einige Ihrer Daten und Datenverbindungen eine surreale Qualität haben.« Er grinste und hob abwehrend die Hände, als Pedus etwas entgegnen wollte. »Es gibt Daten, die ich vermisse. Und ich frage mich, ob wir sie nicht zur Abrundung des Gesamtbildes benötigen. Zwar haben Sie die Stellung des Mondes berücksichtigt, aber was ist mit den Planeten? Und ebenso wichtig: Was ist mit der Sprunghöhe der Frösche zu den verschiedenen Zeiten? Und dann: Wenn ich fünf kleine Knochen aus etwa dreißig Zentimeter Höhe auf den Boden fallen lasse ...« Er beendete seinen Satz nicht, sondern brach in Lachen aus, fing sich dann: »Entschuldigung, Pedus, aber klingt das alles nicht ein wenig nach Hokuspokus? Sie haben oft angedeutet, wir seien alle Heiden, steckt nicht auch in Ihnen der Aberglaube?«
    Rudolf Pedus hatte das Gefühl, daß der Gutsherr sich nur über ihn lustig machte, um Katharina zu beeindrucken. Doch diese schickte Jan einen eher empörten Blick.
    »Forschung«, sagte der Pfarrer, und er versuchte seiner Stimme einen gelangweilten Ton zu geben, »besteht oft nur darin, eine Vielzahl von Daten zu sammeln und Beziehungen herzustellen. Ich tue nichts anderes.«
    »Wissenschaftler«, entgegnete der Gutsherr im gleichen Ton, »haben am Anfang eine These, und sie bestimmt die Art der zu sammelnden Daten.«
    »Aber ...«, sagte Katharina, und Jan nickte ihr zu, ließ sie aber nicht aussprechen. »Du hast recht«, sagte er und drehte sich wieder Rudolf Pedus zu. »Was verlangen Sie? Was soll ich tun?«
    Der Pfarrer schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber wenn jemand etwas verhindern kann, dann sind Sie es.« Der Pfarrer war wütend. Es gelang ihm kaum, an sich zu halten. Am liebsten wäre er aufgestanden und wortlos gegangen.
    Jan umrundete seinen Sessel. »So, so. Ich soll etwas verhindern, von dem wir aber noch nicht wissen, was es ist.«
    Der Pfarrer packte seine Papiere zusammen. »Ich weiß, daß es kommt.«
    Es klopfte, und Manuela Kotschik stand mit weitgeöffneten Augen in der Tür. »Entschuldigen Sie, aber ich dachte ... ich dachte ... ich sollte es Ihnen sagen.« Sie faßte sich an die

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