Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
Vom Netzwerk:
Stirn, und leise fuhr sie fort: »Ich weiß gar nicht mehr ... ich weiß nicht mehr ... ich weiß nichts mehr.« Sie schwankte.
    Die drei sprangen auf und führten sie zu einem Sessel. Jan goß ihr ein Glas Weinbrand ein und hielt es ihr hin, aber sie wehrte ab.
    »Was ist passiert?« fragte Katharina.
    Die Haushälterin wollte sich erheben, aber Jan drückte sie zurück. »Erzählen Sie.«
    »Nein, nein, es ist nichts passiert ... Es war nicht wirklich ... Es kann alles nur in meiner Phantasie ... vielleicht werde ich verrückt?«
    Sie schaute den Pfarrer flehend an. Er nahm ihre Hände. »Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.«
    Sie nickte. »Ich öffnete die Tür. Ich hatte einen Wagen gehört. Draußen stand ein Mann. Er hatte einen zweiten Mann über der Schulter liegen. Er fragte nach Herrn Vietel. Ich sagte, er sei nicht da. Er ist ja in den Gasthof gegangen. Der Fremde sagte, er hätte ein Geschenk für ihn. Es wäre die Leiche, die er über der Schulter trug. Er wollte ihm eine Leiche schenken ... Verstehen Sie? Er trug einen Toten! Ich glaube, das habe ich nicht wirklich erlebt. Es ist nur ... meine Einbildung.«
    »Sehen wir uns die Leiche einfach an!«
    »Nein, nein. Er hat sie ja wieder mitgenommen ... Sehen Sie, so etwas kann doch nicht wahr sein. Bitte, sagen Sie mir, daß ich geträumt habe, daß es nicht wahr ist ...«
    Manuela Kotschik begann zu weinen.
    Katharina war aufgesprungen und zum Fenster geeilt. »Da fährt ein Wagen auf der Allee zur Straße hinauf.«

43
    Jakob Finn hatte sich in der Dunkelheit zwischen die Büsche im Garten des Arztes geduckt und wagte nicht, sich zu bewegen. Er sah seine Verfolger am Zaun entlanggehen, hörte sie an den Türen der Backstube rütteln und sah sie wieder zurückkommen. Dann hörte er nur noch ihre Stimmen. Wahrscheinlich standen sie in der Einfahrt und beratschlagten, was zu tun sei.
    Er begriff nicht, was in der Gastwirtschaft vorgegangen war. Wieso versuchte man ihn zum Sündenbock zu machen? Wenn ihn die Einheimischen erwischten, würden sie ihn verprügeln und sich auf kein Gespräch einlassen. Nachdem der Pfarrer ausfiel, der Förster sich vielleicht noch in Hamburg aufhielt, gab es nur noch einen sicheren Ort für ihn, und das war das Gutshaus. Andererseits glaubte man dort vielleicht noch, er sei ein Weinstein. Vorsichtig schlich er gebückt am Haus der Arztes entlang. Diesen Bernhard Andree konnte er überhaupt nicht einschätzen, aber aufgrund der Attacke seiner Frau ging er ihm wohl auch besser aus dem Weg. Nur in noch größerer Not würde er sich an ihn wenden, denn immerhin besaßen Ärzte in einem Dorf Autorität und waren meist rational denkende Menschen. (Aber bei dieser Frau?)
    Wo sollte er hin? Wenn ihn die Einheimischen wirklich fangen wollten, würden sie bestimmt vor seiner Wohnung beim Tischler auf ihn warten. Wahrscheinlich stand auch jemand Wache bei seinem Wagen. Also doch den Gutshof als Fluchtburg wählen? (Macht auf, ich bin Graf Weinstein!) Ein bißchen weit. Das Nächstliegende war, beim Arzt an der Hintertür zu klopfen. Er duckte sich unter ein erleuchtetes Fenster, blickte dann von der Seite hinein. Die Küche. Niemand darin. Er sah an der Hauswand hinauf, auch im oberen Stock brannte Licht. Immerhin waren wohl alle zu Hause. Die Frau würde sich kaum etwas gegen ihn erlauben können angesichts ihres Ehemannes und der Kinder. Sie mußte eher fürchten, daß er sie verriet. Nein, die Szene im Keller der Galerie war auch für ihn zu peinlich gewesen, um sie zu erzählen. Sie wußte das. Sie brauchte sich nicht zu fürchten.
    Jakob schlich bis zur Hintertür. Wohnte nicht noch jemand im Haus? Eine Arzthelferin? Was hatte Luise Wischberg ihm erzählt? Jetzt ärgerte er sich, daß er ihr nicht immer zugehört hatte.
    Es war das beste, im Haus des Arztes um Schutz zu bitten, denn wer weiß, ob es ihm gelang, unbehelligt über die Straße oder bis zum Gutshof zu kommen. Vielleicht wußte der Arzt, was die Wut der Dorfbewohner erzeugt hatte, und vielleicht gelang es ihm, sie zu besänftigen. Auf ihren Arzt mußten sie doch hören! Und wer weiß, ob die Malerin überhaupt im Haus war. Lebten die nicht getrennt? Wenn er ihr begegnete, mußte er ihr nur zu verstehen geben, daß er nichts verraten würde. Er klopfte zaghaft an die Hintertür und wußte sofort, daß es niemand hören konnte. Er ging zurück zum Küchenfenster. Es schien ihm besser, sich dort bemerkbar zu machen. Doch bevor er die Hand hob, kam ihm seine

Weitere Kostenlose Bücher