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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Hose ab und kam auf den Treppenabsatz herauf.
    »Nun hat man mich erwischt.«
    Katharina wartete darauf, daß Jan etwas sagen würde, doch er schwieg, lächelte, verschränkte die Arme und strich sich über den Mund.
    »Was, was haben Sie da gemacht?« fragte Katharina.
    »Das mache ich immer«, antwortete Dorothee Wischberg. Katharina blickte irritiert zwischen ihr und dem Gutsherrn hin und her.
    »Also gut, ich glaube, ich muß es erklären. Es ist so. Ich mache das schon seit vier Jahren ...«
    »Gehen wir hinein«, unterbrach sie der Gutsherr. Es schien ihn zu amüsieren.
    »Wissen Sie«, wandte sich die Wirtsfrau an Katharina, »zuerst war es eine Schnapsidee, ob ich es schaffe, nachts am Gutshaus emporzuklettern, über das Dach zu laufen und auf der anderen Seite wieder hinunterzukraxeln. Ich bin damals gerade in den Alpenverein eingetreten. Sie wissen ja, daß ich oft im Sommer in den Bergen klettere.«
    »Nein, wußte ich nicht.« Katharina hatte Dorothee Wischberg noch nie bei irgendeiner sportlichen Betätigung gesehen.
    »Ach, ich dachte, das wüßte jeder. Na ja, und dann ist es eine richtige Manie geworden. Sind Sie schon mal am Gutshaus hochgeklettert?«
    »Oje, nein.«
    Der Gutsherr hatte sie in die Bibliothek zurückgeführt und reichte Dorothee Wischberg ein Glas Wein.
    »Sie sollten es unbedingt versuchen. Sie glauben gar nicht, was das für ein erregendes Gefühl ist. Ich bedauere alle Menschen, die noch nie eine Hauswand hinaufgeklettert sind.« Die Worte waren an Katharina gerichtet, aber sie sah dabei dem Gutsherrn in die Augen. »Ich hatte geglaubt, alle würden schon schlafen. Ich wollte nicht stören.«
    »Und Sie sind bei Ihren Touren niemals an einem offenen Fenster vorbeigekommen und vielleicht hineingeklettert?« Jan sprach mit ihr, als wäre sie ein kleines Kind.
    »Wie oft machen Sie das denn?« Katharina war über Dorothee Wischbergs Unverfrorenheit empört, und zugleich ärgerte sie sich über Jan, weil ihn die Sache zu belustigen schien.
    »Immer wenn ich Lust dazu verspüre«, antwortete die Wirtsfrau. Sie lächelte Jan an. Dann drehte sie sich zu Katharina um. Es war eine Bewegung, als befände sie sich auf einem Ball, trüge ein Abendkleid und nicht einen Trainingsanzug. »Verstehen Sie, es ist wie ein Zwang. Ich kann nicht anders.«
    Sie ließ sich auf der Armlehne eines Sessels nieder und schlug die Beine übereinander. »Aber bedauern Sie mich nicht. Ich bin ein Mensch, der alles tut, was ihm Spaß macht, ohne dabei auf die Konventionen zu achten.« Sie hatte etwas Verschwörerisches in der Stimme, als wolle sie ein geheimnisvolles Doppelleben andeuten: Tagsüber stand sie als unscheinbare Verkäuferin in ihrem Laden, und nachts stieg sie als Spinnenfrau im Trainingsanzug über die Häuser. Sie lehnte sich zurück und lächelte wieder Jan an. Der Gutsherr hob drohend seinen Zeigefinger.
    »Sie haben meine Fragen nach den offenen Fenstern noch nicht beantwortet.«
    Jans Lächeln gefiel Katharina nicht. Auch das Verhalten von Dorothee Wischberg empfand sie als unangemessen. Die Frau bewegte sich im Gutshaus, als wäre sie hier zu Hause.
    »Es ist wahr, ich finde meist ein offenes Schlafzimmerfenster. Und ich muß gestehen, ich steige immer hinein, lege mich in die Betten, gehe später aber wieder, ohne etwas zu stehlen. Es ist mir noch nie gelungen, von dem etwas mitzunehmen, was mir wirklich wertvoll erschien.«
    Jan lachte und schüttelte den Kopf. »Eine schöne Einbrecherin!«
    »Wollen Sie mich nun verhaften?« Sie streckte die Arme vor, als erwarte sie, daß man ihr Handschellen anlege. »Vielleicht in den Kerker werfen? Nicht?«
    Sie trank ihr Glas aus und ging mit federnden Schritten zur Tür. »Dann gehe ich wohl besser.« Sie verbeugte sich im Rückwärtsgehen leicht vor Jan und winkte Katharina zu. »Ich finde hinaus.«
    Sie schloß die Tür hinter sich.
    »Willst du ihr nicht verbieten ... ich meine, die klettert doch möglicherweise einfach weiter ...« Katharina begriff nicht, warum er die Fassadenkletterin einfach so gehen ließ.
    Jan lachte laut. »Ich finde es einfach nur komisch. Ist es nicht vollkommen irre?«
    »Aber du mußt damit rechnen, daß sie dir nachts ins Fenster hineinsieht.«
    »Eine erstaunliche Frau, nicht wahr?«
    »Wenn ich bedenke, daß ich jetzt schlafen gehe, und sie klettert draußen herum und sieht mir dabei zu ...«
    »Schließ einfach die Vorhänge.«
    »Ich finde das unmöglich«, empörte sich Katharina. »Ich versteh nicht, was daran

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