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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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lustig ist.« Sie verließ die Bibliothek, und Jan folgte ihr. Er führte sie durch das Haus in den ersten Stock und präsentierte ihr alles, als würde er eine Gruppe Touristen durch ein Schloß führen. Vorbei an der Ahnengalerie im Flur, wobei er jeden Vorfahren mit seinem Beinamen vorstellte. Doch Katharina erheiterte es nicht. An der Tür zu dem für sie hergerichteten Gästezimmer verabschiedete er sich mit der Bemerkung, sie solle sich nichts daraus machen, wenn in der Nacht Heerscharen von Dorfbewohnern über das Haus klettern würden. Die Begegnung mit Dorothee Wischberg schien ihn in geradezu alberne Stimmung versetzt zu haben. Sie ließ ihn einfach stehen.
    Das Gästezimmer war groß, ausgestattet mit einem breiten Himmelbett. Frau Kotschik hatte es aufgeschlagen und ein besticktes Nachthemd bereitgelegt, das wahrscheinlich ebenso eine Antiquität war wie Schrank, Schreibtisch und Gestühl des Zimmers.
    Katharina löschte das Licht, bis auf die kleine Lampe am Nachttisch, und verharrte lauschend. Draußen war ein schabendes Geräusch zu hören, als klettere wieder jemand die Hauswand hinauf. Sie ging zum Fenster, öffnete es und beugte sich hinaus. Es war niemand zu sehen. Aber ein Fenster in ihrem Stockwerk war geöffnet, und sie hörte leise Stimmen, ohne sie identifizieren zu können. Sie sah zum Dorf hinüber. Noch immer brannte in vielen Häusern Licht, und von weither drang Trivials Heulen durch die Nacht. Sie schloß das Fenster, und das Geräusch war wieder da. Es kam aus dem Inneren des Hauses. Sie ging zur Tür, öffnete sie und erschrak. Manuela Kotschik stand davor, sah sie flehend an, rang die Hände. Nach ein paar Sekunden gab sie sich einen Ruck, nahm Katharina am Arm und drückte sie in den Raum hinein. Sie schloß die Tür hinter sich und legte die Finger an den Mund. »Ich werde noch wahnsinnig«, flüsterte sie. »Was soll ich denn bloß tun?« Sie kam ganz nah an Katharina heran; sie roch nach Knoblauch. »Ich glaube, ich bin schuld am Tod von Maria Glaser. Es hängt alles zusammen. Aber vielleicht irre ich mich auch. Sie dürfen es niemandem sagen. Wenn es der Gutsherr erfährt. Es ist unmöglich, was ich tu. Ich darf doch nicht mit Ihnen sprechen. Ich weiß das. Ich bitte Sie, nehmen Sie mich nicht ernst. Es ist alles nicht wahr, aber ich habe es genau gehört. Ich weiß ja nicht, worum es geht, aber trauen Sie niemandem. Ich kenne Sie doch auch schon als ganz kleines Mädchen. Erinnern Sie sich, wie Sie in die Küche kamen? Manchmal habe ich extra Wackelpudding gemacht, weil ich wußte, daß Sie kamen. Sie müssen aufpassen, bitte, versprechen Sie mir das. Man ist Ihnen nicht wohlgesinnt. Ich habe das nicht gesagt. Es ist eine Heimtücke. Bitte, sehen Sie sich vor. Man will Ihnen alles nehmen. Verstehen Sie, ich kann es nicht anders sagen. Ich verstehe es doch selbst nicht. Bitte sagen Sie, daß ich nichts gesagt habe.«
    Sie ließ Katharina los, ging zur Tür, legte das Ohr ans Holz, drückte dabei zitternd die Hände gegeneinander, als versuchte sie in höchster Not zu beten. Sie ging, ohne sich umzusehen und ohne ein Geräusch zu machen.
    Katharina wußte, daß sie trotz der späten Stunde nicht würde schlafen können. Sie erinnerte sich nicht, jemals in der Küche des Gutshauses Wackelpudding bekommen zu haben. Die Frau war verrückt, nicht normal, schizophren. Sonst redete sie gar nichts, und jetzt kam wie ein Wasserfall lauter Unsinn und Widersprüchliches aus ihr heraus. Aber auch das paßte zu diesem Tag, der ihr festgefügtes Bild von ihrer Umgebung ins Wanken gebracht hatte. Nichts und niemand schien das zu sein, was sie geglaubt hatte. Auch Jan nicht. Sie legte sich auf das Bett, breitete die Arme aus und betrachtete den dunkelgelben Stoffhimmel. Er besaß ein verschlungenes Muster aus braunen, tiefroten und dunklen blauen Farben. Sowenig sich die Farben auch voneinander trennten, ergaben sie mal eine positive und dann wieder eine negative Form. Plötzlich verwandelte sich das Muster am Rand in eine Reihe kleiner Totenköpfe mit zwei Knochen darunter. Vor dem Einschlafen hatte sie sich früher oft ein großes, übers Wasser gleitendes Segelschiff vorgestellt, an dessen Ruder sie stand. Jetzt erschien es ihr, als wäre das selbstgezimmerte Schiff schon immer heimlich von Piraten besetzt gewesen. Und nun zogen sie hinter ihrem Rücken die Fahne mit dem Totenkopf am Heck in die Höhe. Katharina drehte sich zur Seite, rollte sich zusammen und verspürte eine kaum zu

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