Herzensach - Roman
Heiratsantrag gemacht. »Ja. In der Kirche ...«
»... gibt es ein Relief von ihm. Ich hatte es vergessen.« Er hatte einfach vergessen, wie hübsch Katharina war.
»Du wirst es nicht glauben ...« Eigentlich war es unmöglich, daß der Student sie liebte. Sie war mit ihm noch ärger umgesprungen als mit anderen Männern, weil er ihr von Anfang an sympathisch gewesen war. Im Grunde fürchtete sie sich vor ihm – vor seiner Zuneigung. »... was er jetzt macht.«
»Ich habe keine Ahnung.« Jan überlegte, ob und wie es ihm gelingen könnte, Katharinas Liebe zu gewinnen.
»Es ist schwer zu beschreiben.« Katharina versuchte herauszufinden, welche Gefühle sie gegenüber dem Studenten hegte. »Es ist ... Pornographie.«
Der Gutsherr lachte. »Ist er nicht ein typischer Herzensacher!«
»Ich will nicht hoffen, daß alle so sind.« Der Student war nicht so wie alle anderen Männer. Sein Liebesgeständnis hatte etwas Unbeholfenes, Ehrliches an sich gehabt.
Der Gutsherr stand auf und ging mit seinem Weinglas im Raum umher. »Ich meine damit, alle hier murkeln und werkeln an etwas, das sie geheimhalten. Das ist typisch für Herzensach.« Jan überlegte, ob er seine Rolle als Homosexueller aufgeben sollte, auch wenn er es damit geschafft hatte, daß Katharina den Vertrag unterschrieb. Er konnte sich schließlich als bisexuell hinstellen. Es könnte funktionieren. Vielleicht packte sie ja der Ehrgeiz, ihn ganz zu bekehren.
»Ich glaube, du machst dir falsche Vorstellungen.« Katharina berichtete ihm von den obszönen Plastiken, ohne sie im Detail zu beschreiben. Sie erinnerte sich an Jakob Finns Gesicht in der Hütte. Er war über die Schnitzereien erschrockener gewesen als sie selbst.
Jan schüttelte den Kopf. »Katharina, die einzige Art, damit umzugehen, ist, darüber zu lachen. Wenn du beginnst, einen Menschen wie den Tischler ernst zu nehmen, dann müßtest du dich doch mit seinen Werken wirklich auseinandersetzen. Das kannst du nicht verlangen.«
Es überzeugte Katharina, doch ein neuer Gedanke hielt sie zurück, ihm zuzustimmen: »Wenn alle Herzensacher ein solches Geheimnis haben, welches ist dann deines?« Vom reinen Herzen des Studenten war sie überzeugt.
Jan lächelte, zeigte auf die Uhr. »Ich selbst bin es. Es ist nach Mitternacht, und ich kann es offenbaren. Ich bin ein Vampir und lebe seit zweihundert Jahren in diesem Schloß. Nun weißt du, warum ich dich eingeladen habe, in einem unserer Gästezimmer zu übernachten.« Und wenn er einfach über sie herfiel?
Katharina war nicht bereit, auf seinen Scherz einzugehen. »Lenk nicht ab. Ich bin sicher, auch du hältst etwas geheim. Habe ich nicht ein Recht, es zu erfahren?«
Er faltete die Hände und stützte sein Kinn darauf. »Ich überlege, was ich dir erzählen kann. Natürlich wissen die Menschen hier wenig von meinem Leben und meiner Firma in Berlin. Aber ehrlich gesagt, es ist banal und ohne Dramatik. Im Grunde bist du das Geheimnis meines Lebens. Das ist die Wahrheit.« (Ich liebe dich!) Er öffnete seine Hände und hielt ihr ergeben die Handflächen hin.
»Es stimmt, es ist auch mein Geheimnis. Mein zweites bereits.« Sie lachte. (Ich liebe dich nicht!) »Bin ich vielleicht eine typische Herzensacherin? Manchmal glaube ich, Petra weiß genau, woher ich komme, wer meine Mutter, mein Vater ist.«
»Ist es nicht wunderbar, nicht zu wissen, von wem man abstammt, also ganz und gar nur das zu sein, was man aus sich macht?« Er versuchte sich Katharina unbekleidet vorzustellen.
»Zumindest bin ich froh, daß der Tischler nicht mein Vater ist. Und du leidest darunter, ein van Grunten zu sein?« Sie sah an sich herunter und überprüfte den korrekten Sitz ihres Kleides. Sie fühlte sich jetzt unwohl darin und hätte lieber ihre Hose getragen.
Jan legte die Stirn in Falten. Es hatte keinen Sinn, aus der Rolle zu fallen. Er ging zum Kamin und lehnte sich auf den Sims. »Du kannst froh sein, niemand hier ist so frei wie du. Du kennst doch die Geschichte von Herzensach – aber du kennst nur einen Teil. Ich habe die alte Familienchronik gelesen. Es ist wahr, was manche behaupten. Herzensach hatte, bevor meine Familie hier siedelte, doppelt so viele Einwohner. Meine Urahnen kamen mit einer wilden Horde hierher und brachten alle um. Die Bauern wurden getötet und ihre Häuser übernommen. Lange Zeit zogen die neuen Siedler noch von hier aus als raubende Horde durch das Land. Bei einigen Herzensachern frage ich mich heute noch, wovon sie eigentlich leben
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