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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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Tischler glaubte damit wieder Einverständnis herzustellen.
    »Thomas ...«, wagte seine Frau vorsichtig einzuwerfen. Sie verstand die Ablehnung ihres Mannes nicht, war er doch sonst, wenn es darum ging, zusätzlich Geld zu verdienen, immer schnell bei der Sache.
    »Ist das der Student, der hier schon herumlungert?« erkundigte sich der Tischler. »Ich mag den nicht.«
    »Er hatte eine Autopanne ...«
    »So einer kommt mir nicht ins Haus!«
    Luise Wischberg holte tief Luft. »Jetzt will ich dir mal was sagen, du alter Holzbock, deine wurmstichigen Fenster willst du überall und jedem andrehen, da schmilzt du fast vor Freundlichkeit, wenn aber einer mal deine Hilfe braucht, knallst du ihm die Tür vor der Nase zu. Wenn Herzensach ein rückständiges Dorf bleibt, dann liegt es an solchen wie dir. Man muß sich doch fragen, ob so einer der richtige Bürgermeister ist.«
    Thomas Timber grinste. (Herzensach war gut, so wie es war!)
    »Ich mach dir einen Vorschlag«, sagte er hinterhältig, »ganz demokratisch, ehrlich! Wenn die Mehrheit der Familie dafür ist, dann ...« Er verbiß sich das Lachen.
    Luise Wischberg sah Petra Timber an, die wiederum ängstlich zu ihrem Mann aufblickte. »Wenn Thomas es nicht will ... von mir aus, also, mir wäre es ja egal.«
    Der Tischlermeister lächelte spöttisch. »Nun, frag Katharina. Ganz demokratisch.«
    Er wußte, seine Pflegetochter würde keinen jungen Mann im Haus dulden, und Luise Wischberg wußte es auch.
    »Wenn es dir paßt, bist du Demokrat!« schimpfte sie. »Du mußt verdammt aufpassen, daß du nicht allmählich deinem Holzleim immer ähnlicher wirst.«
    Ärgerlich verließ sie die Küche. Doch nach wenigen Minuten kam sie atemlos die Treppe heraufgestürzt. Sie stellte sich in die Küchentür und stemmte die Arme in die Hüften.
    »Sie hat ja gesagt!« Sie betonte jedes Wort.
    Fassungslos sperrte Thomas Timber den Mund auf und bekam kein Wort heraus. Seine Frau runzelte sorgenvoll die Stirn. In der beklemmenden Stille hörte man deutlich das dumpfe Dröhnen von Gottes Stimme aus Pastor Pedus' Maschine.

10
    Weder seine neunundvierzig Jahre noch seinen Beruf sah man dem Pfarrer an. Er war mager und ungefähr einen Meter neunzig groß, was regelmäßig dazu führte, daß er sich im Brunnenschacht beim Bau seiner Maschine den Kopf stieß. Frische Schrammen und verkrustete Wunden zeichneten seine Stirn. Zu seiner bevorzugten Kleidung gehörten ein derbes, kariertes Hemd und eine dunkelblaue, mit Werkzeug bestückte Latzhose, wie Klempner sie tragen. »Mein Gott, Pedus«, pflegte seine Frau zu sagen, »die Hose ist dir zu weit; wenn der Wind hineinfährt und sie sich wie ein Ballon aufbläht, hängt dein dünner Körper darin wie der Klöppel in der Kirchenglocke.« Seit zwei Jahren lag seine Frau im Sterben und verlor darüber ihren Humor nicht.
    Das weltliche Auftreten des Pastors hatte zu einem besonderen Verhältnis mit den Mitgliedern seiner drei Gemeinden – Herzensach, Ehrenfelde und Moorburg – geführt. Niemand überlegte lange oder formulierte vorher sorgfältig die Worte, um mit ihm zu sprechen. Man ging einfach mal schnell vorbei, holte ihn aus seinem Brunnen und sagte: »He du, Pedus, grüß Gott, und was würdest du tun: Der Bauer Semmler hat meine Frau eine alte Ziege genannt. Jetzt beklagt sie sich bei mir.«
    »Hat er recht?« würde der Pastor antworten und nach einer Weile des Schweigens hinzufügen: »Sie soll selbst vorbeikommen.«
    Damit wäre der Fall erledigt.
    Außer diesen praktischen und anderen äußerst unkonventionellen Ratschlägen gab er oft noch Antworten, die einem Orakel glichen. Diese waren besonders beliebt, machten die Runde, und jeder versuchte sie zu interpretieren.
    Die Kirchenleitung wußte um seine große Beliebtheit, kannte den Respekt, den man ihm entgegenbrachte – seine Kirchen waren voller als andere. Sie wußte von der Maschine im Brunnen, ohne dies allerdings offiziell zur Kenntnis zu nehmen. Ob man auch Trivials Unterstützung, die Kirche zu füllen, gebilligt hätte, ist eher unwahrscheinlich. Denn die Schäfchen mit Hilfe eines Hundes und eines Aberglaubens zum Gottesdienst zu locken kann auch einem Bischof nicht egal sein. Pedus störte es nicht. Sollten sie doch an die magischen Kräfte des Hundes glauben, an das Glück, das er angeblich übertrug. Der Pfarrer sah alles in tiefer Überzeugung als Gottes Werk an, predigte und verteidigte mit Eifer den wahren Glauben. (Sein Gottesbild war wohl ein vollkommen anderes als

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