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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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betrachtete man den Stil seines Hauses). Aber vielleicht der wahre Herrscher hier.
    »Wilhelm Weber ist ein Dinosaurier unserer Zunft«, so hatte die ›Fleischzeitung‹ (Kundenzeitschrift des fleischverarbeitenden und fleischvertreibenden Gewerbes) in einem kleinen Porträt des Wurstfabrikanten diesen gekennzeichnet und den Satz in einer Weise fortgesetzt, die nur innerhalb dieser Zeitungsredaktion nicht als Stilblüte empfunden wurde: »denn sein Ziel ist es, Schlachtkörper so zu hegen und zu pflegen wie sich selbst.«
    Schuld an diesem Vergleich war ein Interview mit Wilhelm Weber, in dem er nicht nur gezeigt hatte, wie gründlich seine Kenntnisse über Förderung und Wachstum gesunden Muskelfleisches waren, sondern auch immer wieder auf sein Hobby, das Bodybuilding, hingewiesen hatte. Den Abbildungen und Beschreibungen in der ›Fleischzeitung‹ war zu entnehmen, daß es sich bei Wilhelm Weber nicht nur um einen ungewöhnlich tatkräftigen Unternehmer, sondern auch um einen sehr starken, muskulösen Mann handelte, der seine Kräfte und seine Körperlichkeit durchaus auch im Privat- und Geschäftsleben einzusetzen wußte.
    Jakob Finn war dieser Artikel nie zu Gesicht gekommen. Ohne also derart gewarnt zu sein, läutetet er am Eingang des Bungalows. Eine ganze Weile geschah nichts, bis sich das kleine Fenster neben der Tür öffnete, ein junges Mädchen den Kopf herausstreckte und sagte: »Ich kann den Schlüssel nicht finden. Wollen Sie zu Herrn Weber? Sie sind doch der Student, nicht wahr?«
    Jakob lachte über ihre offensichtliche Verwirrung und bejahte ihre Fragen.
    »Gehen Sie einfach links um das Haus herum«, sagte sie. »Herr Weber ist im Kraftraum. Sie finden es bestimmt. Gehen Sie einfach hinein.«
    Jakob nickte. »Wer sind Sie?« fragte er.
    Sie erschrak. »Huch! Ich?«
    »Ja.«
    »Ich mache den Haushalt. Ich bin Lisa.«
    Sie zog den Kopf zurück und schloß das Fenster. Jakob lachte über die Situation, über die Hilflosigkeit und das Staunen des Mädchens, das wahrscheinlich zum ersten Mal von einem Besucher gefragt worden war, wer es sei. Diese Begegnung vertrieb den Rest an Mißvergnügen, den der Überfall der Frauen hinterlassen hatte.
    Er ging um den Bungalow herum, vorbei an den großen Glasfenstern. Alle Vorhänge waren geschlossen. Erst an der Rückseite fand er ein offenes Schiebefenster. Die Sonne und das Weiß der Mauern hatten ihn geblendet, doch sah er in dem Raum ein paar Chromstangen blitzen. Er war richtig.
    »Hallo?«
    Es kam keine Antwort. Unter weiterem Rufen ging er hinein und versuchte sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Plötzlich wurde er von hinten gepackt, herumgedreht und auf eine gepolsterte Liege geworfen. Bevor er an irgendeine Gegenwehr denken konnte (bevor er überhaupt denken konnte), hatten sich eiserne Klammern um seine Fußgelenke geschlossen und wurden seine Hände unter die schmale Liege gezerrt und zusammengebunden.

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    Er war stehengeblieben und sah sie zweifelnd an. (Der Falsche.)
    »Doch, es ist so«, bestätigte sie. »Die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau kann sehr einfach sein; wenn man Liebe und Gefühl außen vor läßt, kann alles leidenschaftslos geregelt werden.« Sie beugte sich zu ihm herunter und nahm seinen Kopf in beide Hände. »Begreif doch, jeder Moment unseres Zusammenseins und unser Ziel, alles ist vertraglich geregelt. Ein Vertrag, der keinem zum Nachteil gereicht, einer, der auch unter Geschäftsleuten Bestand hätte. Es kann mir wirklich nichts passieren. Ganz im Gegenteil. Es ist wie ein neues Leben.« (Das Falsche.)
    Sie richtete sich wieder auf. Trivial schüttelte den Kopf. Katharina hatte den Vertragsentwurf des Anwalts mit Genugtuung studiert. Alle ihre Bedenken waren in den vergangenen beiden Tagen ausgeräumt worden, und jeder ihrer Einwände hatte in dem Vertrag seinen Niederschlag gefunden. Nur Trivial schien nicht zufrieden. Er ahnte wohl, daß er in dem neuen Leben keine so große Rolle mehr spielen würde.
    Selbst Katharinas Befürchtung, so lange Kinder bekommen zu müssen, bis ein Sohn geboren wurde, hatte sich zerstreut. Präzedenzurteile zeigten, daß unter dem Begriff »leiblicher Erbe«, wie er im Vertrag des Piraten mit dem Grafen Weinstein stand, auch Töchter zu verstehen waren. Auch Jan hatte diese Nachricht mit besonderer Erleichterung aufgenommen und ihr amüsiert von den Ängsten seiner Vorfahren berichtet, keinen Sohn zu bekommen. Angeblich soll Caspar van Grunten Anfang 1840 einen französischen

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