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Herzensach - Roman

Herzensach - Roman

Titel: Herzensach - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Gerlach
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differenziert wahrnehmen. (Eine kleine Auswahl der zur Verfügung stehenden Stoffe in unterschiedlicher Konzentration: PCP, Lindan, Formaldehyd sowie Aldehyde, Schwefelverbindungen, Ammoniak und ein wenig Parathion, Blei und Zink.) Mit den nackten Füßen schob er die toten Fliegen zur Seite und stand auf. Er überlegte, ob es einen Zusammenhang gab zwischen den Insekten und dem verwirrten Vater des Tischlers, der zuletzt diese Räume bewohnt hatte. Wer weiß, mit welchen Holzschutzmitteln Thomas Timber arbeitete. Waren darin früher nicht Gifte gewesen, die das Nervensystem des Menschen angriffen? Auf dem Land arbeitete man möglicherweise noch heute damit. Er öffnete alle Fenster so weit, bis er einen leichten Durchzug spürte.
    Er beschloß, im Gasthaus zu frühstücken, wusch sich schnell, zog sich an und ging hinunter. Vor der Bürotür lauschte er, aber alles war noch still. Zwar begannen die Tischlergesellen ihre Arbeit sicher gegen sieben Uhr, aber das Büro war bestimmt noch nicht so früh besetzt.
    Die Mutter des Wirts schickte gerade ihre dicke Enkeltochter mit schwerer Tasche und einem halben Marmeladenbrot zwischen den Lippen zur Schule. (»Kann ich nicht heute zu Hause bleiben? Mir geht es gar nicht gut!«) Jakob setzte sich an den Tisch, an dem sie allem Anschein nach selbst gefrühstückt hatte. Luise Wischberg ging lächelnd an ihm vorbei in die Küche, kam aber gleich darauf mit einem Tablett zurück, auf dem eine Tasse Kaffee und ein großer Teller, randvoll mit Rührei und Schinken, standen, und stellte es vor ihm ab.
    »Ist doch recht? War gerade fertig.«
    »Toll.«
    »Brot?«
    »Muß nicht.«
    Sie setzte sich ihm gegenüber, zog die Zeitung heran, schlug sie aber nicht auf. Er aß, und sie sah ihm zu. Es bereitete ihr offensichtlich großes Vergnügen, Menschen beim Essen zuzusehen. Das war eine Erklärung für das Gewicht ihres Sohnes und ihrer Enkelin.
    »Was gibt es Neues?« fragte er mit vollem Mund.
    »Mir erzählt man nichts.«
    »Warum?«
    »Ich fraternisiere angeblich mit dem Feind.«
    Er lachte. »Wer ist der Feind?«
    »Sie!«
    »Ich?«
    »Ja. Und da ich mich in Wirklichkeit gar nicht mit dem Feind verbrüdere, kann ich Ihnen auch nicht das wenige erzählen, was ich weiß.«
    »Und was ist das?«
    »Auf dem Gutshof gibt es einen Todesfall, die alte Haushälterin, Maria Glaser. Tja, war auch schon alt und krank. Und dann: der junge Gutsherr. Er wird heiraten! Nun ist die Frage, wieviel Abstand legt der Anstand zwischen die beiden Ereignisse? Was meinen Sie?«
    »Gibt es sonst einen Aufstand?«
    »Ich dachte, es gibt eine Regel.«
    »Keine Ahnung. Wer ist denn die Glückliche?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht ist nur der Ahnungslose glücklich.«
    Jakob lachte, und etwas Ei fiel ihm von der Lippe. »Wollen Sie damit sagen, man weiß von der Heirat, aber nicht, wer verheiratet wird?«
    »Da sehen Sie, was von der ganzen Information zu halten ist.«
    Er legte die Gabel zur Seite und wischte sich mit einer Serviette über den Mund. Er hatte mehr als genug gegessen. Die von Luise Wischberg versorgten Personen sollten ihm Warnung sein.
    »Wie würden Sie einem Menschen sagen, daß Sie ihn lieben?« Im selben Moment wußte er, es war die falsche Fragestellung.
    »So überschwenglich brauchen Sie sich für das Essen nicht zu bedanken.«
    »Nein, nein, ich meine: Ich liebe ein Mädchen und weiß nicht, wie ich es ihm sagen soll.«
    Sie sah ihn prüfend an. »Sie meinen, das Mädchen weiß nichts davon?«
    »Ja.«
    »Dann vergessen Sie es.«
    »Warum?«
    »Was Sie vorhaben, ist etwa folgendes: Sie wollen einem Mädchen, das Sie offensichtlich nicht liebt, sagen, daß Sie es lieben. Was soll dabei herauskommen? Ich sage es Ihnen: ein Trottel und ein Mädchen, das diesen Trottel für einen Obertrottel hält.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, nein.« Er wollte sich ihre Logik nicht zu eigen machen. »Ich muß es ihr sagen!«
    Sie wippte nach vorn und stieß mißbilligend einen Urwaldlaut aus: »Uh!«
    Er setzte nach: »Ich werde es jetzt gleich tun.«
    Luise Wischberg sprang entsetzt auf. »Sie ist hier aus dem Ort! Sind Sie wahnsinnig! Flüchten Sie, fahren Sie fort, so schnell, so weit Sie können, und kommen Sie nie mehr zurück. Wissen Sie denn nicht, wo Sie hier sind?«
    Jakob sah die ehrlich erregte Frau verblüfft an. Sie beruhigte sich, legte den Kopf schräg und fragte: »Ist sie hier geboren?« »Nein.«
    Sie stieß erleichtert die Luft aus und sank auf ihren Stuhl zurück, doch

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