Herzensbrecher auf vier Pfoten
Ihnen gern den Großteil dieser Aufgabe abnehmen. Ich werde also noch einmal rekapitulieren, ja?«
Rachel wollte eine neue Seite in ihrem Notizblock aufschlagen, doch stattdessen stieß sie auf die To-do-Liste, die sie am Vortag wutentbrannt verfasst hatte – Kisten packen, Lagerungsunternehmen anrufen, Türschlösser auswechseln, Urlaub buchen –, und blätterte schnell zur nächsten Seite weiter.
Während Gerald sprach, machte sich Rachel flüchtig Notizen. Bevor sie Dots Haus sowie das Hundeheim und die dazugehörige Auffangstation erben konnte, musste sie erst die Erbmasse schätzen lassen, damit die Erbschaftssteuer festgesetzt werden konnte. Anschließend würde dann der Notar die entsprechenden Formulare schicken und das Finanzamt die Höhe der zu zahlenden Erbschaftssteuer festsetzen;nichts von alledem würde ihr gehören, bis nicht zumindest ein Teil der Summe beglichen sei; bla, bla, bla. Doch noch während ihr Stift pflichtbewusst über die Seite flog, wurde Rachel von Bedauern und Trauer überwältigt.
Zehn Jahre ihres Lebens, die nun einfach vorüber waren. Die beste Dekade ihres Lebens. Nie wieder würde sie Olivers schwarzes Haar berühren, das er sich mit einer Bewegung aus der Stirn strich, bei der es niemals halten würde – was ihn jedoch nicht davon abhielt, es dennoch immer wieder zu tun. Nie wieder würde sie diesen Duft einatmen, den er nach der Arbeit verströmte, diesen ein wenig verschwitzten, maskulinen Geruch seines weißen Hemdes, wenn er das Jackett mit dem goldenen Futter über ihren Stuhl warf …
»… und Gem natürlich?«, fügte die blonde junge Frau hinzu und riss damit Rachel aus ihren Gedanken. Sie war Australierin und betonte alles so, dass die Bemerkung eher wie eine Frage klang. Das breite, strahlende Grinsen, mit dem sie Rachel bedachte, legte nahe, dass sie Gem für den besten Teil des Erbes hielt.
Rachel blinzelte zu dem Goldkettchen hinüber, das sie über ihrem T-Shirt trug. Megan.
»Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht erinnern, dass in Dots Testament ein Hund erwähnt war«, erklärte Rachel und sah fragend zu Gerald hinüber. »Wurde einer erwähnt? Entschuldigen Sie bitte, aber die letzte Woche war ein ziemlicher Alptraum für mich …«
»Dot hat mir die strikte Anweisung gegeben, Ihnen erst von Gem zu erzählen, wenn Sie hier sind.« Megan deutete auf den Hund, der ein wenig mürrisch dreinblickte, während sein Schwanz und die Ohren traurig herunterhingen.
Der Hund scheint wegen Dots Tod mehr Kummer zu verspüren als ich, dachte Rachel mit einem Hauch eines schlechten Gewissens.
»Gem ist sieben Jahre alt und ein Border Collie. Dot wollte, dass Sie ihn bekommen. Das hat sie ausdrücklich so gewollt, nicht wahr, Gem? Du sollst ein ganz besonderes neues Zuhause bekommen!« Sie kraulte Gem liebevoll die zarten schwarzen Ohren, sodass sich der Border Collie an ihr Bein schmiegte.
»Aber ich bin gar kein Hundetyp«, protestierte Rachel, und noch während sie sprach, sah Gem zu ihr auf. Rachel schreckte zurück angesichts der eisblauen Augen, die ihr Gesicht musterten, als versuche der Hund, in sie hineinzusehen. Sie fragte sich ernsthaft, ob Hunde überhaupt solche Augen haben durften. Gem schien direkt in ihre Seele schauen und dabei erkennen zu können, dass sie eine Frau war, der man besser nicht einmal Zimmerpflanzen anvertrauen sollte.
»Dot hätte Ihnen Gem nicht überlassen, wenn sie nicht absolut davon überzeugt gewesen wäre, dass Sie die Richtige für ihn sind. Sie hatte ein ausgezeichnetes Gespür dafür, Menschen mit dem für sie geeigneten Hund zusammenzuführen«, erklärte Megan ernst. »Sobald jemand den Raum betrat, wusste sie instinktiv Bescheid. Sie wollte keinen ihrer kleinen Schützlinge mit dem falschen Herrchen nach Hause gehen lassen, nicht einmal, wenn derjenige sie auf Knien angefleht hat.«
Rachels Blick schweifte zum Notar hinüber und erwartete ein sanftes, missbilligendes Kopfschütteln angesichts dieses Wahnsinns. Doch Gerald lächelte nur nachsichtig. »Auch mich hat sie mit zwei tollen Tieren zusammengeführt. Wir haben sie immer ›die Hundekupplerin‹ genannt.«
O Gott, dachte Rachel, dies musste ein Alptraum sein.
»Wird diese Gabe in Ihrer Familie vererbt?«, fragte Megan. »Also, dieses Hundeflüstern?«
»Soweit ich weiß, nicht«, erwiderte Rachel höflich, überlegte es sich dann jedoch. »Nein, definitiv nicht. Als Kinder durften wir nicht einmal einen Goldfisch halten. Keine Ahnung, woher Dot
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