Herzensbrecher auf vier Pfoten
diese Hundesache hatte.«
Andererseits war Dot aber auch keine typische Mossop gewesen, ganz gleich, von welcher Seite man es auch betrachtete. Weder hatte sie spätestens mit vierundzwanzig Jahren geheiratet, noch hatte sie je Kinder bekommen. Außerdem hatte sie sich immer wieder mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks geweigert, an den Sherry- und Obstkuchen-Familienzusammenkünften teilzunehmen, die von Rachels Mutter Valerie veranstaltet wurden, bei denen Rachel sich ebenso wenig blicken ließ. Anscheinend hatte Val ganze Arbeit geleistet, als sie Dot zu Rachels Patentante gemacht hatte, bevor diese dann in der Mitte ihres Lebens unerklärlicherweise nach Longhampton gezogen war. So, wie es aussah, hegte Rachel allmählich den Verdacht, dass Val offenbar befürchtete, dass Dot ihr Leben als alte Jungfer wie eine Art vererbtes Leiden an Rachel weitergegeben hatte.
»Verzeihen Sie mir die Bemerkung, aber Sie sind Dorothy sehr ähnlich«, erklärte Gerald in einem Tonfall, der keinerlei Zweifel zuließ, dass er dies als Kompliment meinte. »Was das Aussehen betrifft, meine ich. Es ist diese …«
Rachel wusste nur allzu gut, was nun folgen würde; jeder bescheinigte es ihr. Dass sie beide das Aussehen einer schrulligen edwardianischen Suffragettengärtnerin oder eines präraffaelitischen Racheengels besäßen. Beide hatten lange, schmale Nasen sowie dunkle, runde Augen, mit denen sie sich deutlich von der rosigen Blondheit Vals und Amelias, Rachels Schwester, unterschieden. Jahrelang hatte sich Rachel gewünscht, so hübsch zu sein wie Amelia; erst Oliver hatte sie davon überzeugt, dass dieses »markante« Aussehen ihr auch noch im hohen Alter von achtzig Jahren zugutekommen würde.
»Diese Nase?«, regte Rachel an.
»… es hat mit der Nase zu tun«, fuhr Gerald fort, sichtlich nervöser als noch zu Beginn. Rachel wusste, dass ihre unbewegte Miene grimmiger wirkte als beabsichtigt. Gerald gabsich allerdings Mühe, die Situation zu retten. »Dorothy war eine fabelhafte Frau, wie sie immer mit ihren Hunden durch den Park gelaufen ist. Wir haben uns stets gefragt, ob sie vielleicht beim Geheimdienst oder bei irgendeinem anderen …« Er begann zu stammeln. »Vielleicht hing es mit ihrem Selbstvertrauen zusammen.«
»Ich weiß«, erwiderte Rachel betrübt.
Oliver hatte ebenfalls Rachels Selbstvertrauen bewundert, das sich in einer kessen, aber dennoch geschliffenen Art bei Kundenbesprechungen äußerte. Rachel hoffte sehr, dass dieses Selbstvertrauen angeboren war und nicht etwa auf die Nebenwirkungen eines übermäßigen Kaffeekonsums oder den brennenden Wunsch zurückging, Oliver zu beeindrucken.
»Na ja, ich habe ein paar Dinge mit ihr gemein«, räumte Rachel schließlich ein, nachdem sie sich einen Ruck gegeben hatte. »Aber eine Leidenschaft für Hunde gehört leider nicht dazu. Ich meine es ernst, Megan«, fügte sie hinzu, als ihr ein nachsichtiges Lächeln von der anderen Seite des Schreibtisches entgegenstrahlte. »Ich kann mit einem Hund leider nichts anfangen. Ich reise viel und arbeite Vollzeit.« Bedauernd hob sie die Hände.
Okay, wenn sie ehrlich war, arbeitete sie derzeit weder Vollzeit, noch wohnte sie in einer schicken Wohnung in Chiswick. Auf keinen Fall jedoch wollte sie einen Border Collie besitzen. Sie arbeitete in der PR-Branche, nicht etwa bei Ein Herz für Tiere .
»Ähm, Gem ist kein Hund . Er ist eher ein guter Kumpel! Nicht wahr, das bist du? Und wenn Dot dachte, dass Sie und Gem wie füreinander gemacht seien, dann ist das eine todsichere Angelegenheit!« Mit einem Schlag verblasste Megans fröhliches Lächeln, und Entsetzen machte sich in ihrer Miene breit. »O Mist, tut mir leid, das war wirklich taktlos von mir!«
»Lassen Sie mich Ihnen nun die Schlüssel überreichen«,schlug Gerald eilig vor, der die Chance nutzte und das Thema wechselte. Er griff in seine Schublade und holte die Schlüssel hervor. »Ich für meinen Teil könnte mir vorstellen, dass Sie sicherlich gern nach Four Oaks hinüberfahren und sich umschauen möchten«, fuhr er fort und nickte dabei Megan kurz zu. »Megan ist imstande, Sie innerhalb kürzester Zeit auf den aktuellen Stand hinsichtlich der Zwinger zu bringen.«
Plötzlich wurde Rachel von den seelischen Anstrengungen der vergangenen Tage eingeholt, die über ihr zusammenbrachen, wie es seit einer Woche immer um Punkt drei Uhr geschah. Sie verspürte das überwältigende Bedürfnis, sich allein, mit einer Flasche Rotwein bewaffnet und im
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