Herzensbrecher auf vier Pfoten
Selbst in Zeiten der Rezession brauchen die Menschen eine positive PR. Insbesondere in Zeiten der Rezession.
Megan und Gem starrten sie erwartungsvoll an. Rachel war sich nicht sicher, wer von beiden versessener darauf war, ihr eine Freude zu bereiten. Rachel hatte ein schlechtes Gewissen, die beiden enttäuschen zu müssen.
»Tut mir leid. Ich habe keine Ahnung, wo Gem hinsoll. Ist es in Ordnung, wenn er in den Kofferraum kommt?«
»In einem Kofferraum dieser Größe ist das kein Problem – du Glückspilz!«, erklärte Megan und öffnete Gem die Heckklappe. »Oh, du hast aber nicht viel Gepäck dabei«, stellte sie dann fest, nachdem ihr Blick auf die zwei kleinen Taschen und die Kiste mit Plunder gefallen war, den Rachel beim Verlassen der Wohnung wahllos zusammengerafft hatte. Dies war ein weiterer Aspekt, der sie bedrückte: Es war unfassbar, wie wenig ihr aus zehn Jahren übrig geblieben war. »Wie lange bleibst du?«
»Ich weiß es noch nicht.« Rachel fuhr sich mit der Hand durch das Haar, erinnerte sich plötzlich wieder an die grauen Haare und seufzte. »Ich habe schlicht und ergreifend im Augenblick keine weiteren Pläne.«
»Du willst erst einmal sehen, wie alles läuft, habe ich recht? So ist’s richtig.« Megan klopfte mit der Hand auf den Kofferraumboden. »Komm, Gem, hier herein mit dir, alter Junge!«
Gehorsam sprang Gem in Rachels Kofferraum und rollte sich zwischen ihren zwei ledernen Mulberry-Reisetaschen zusammen. Sofort stellte Rachel missbilligend fest, wie sich lange Hundehaare an das schwarze Polster hefteten, doch sie war schlichtweg zu müde, um sich darüber Gedanken zu machen. Stattdessen schloss sie die Heckklappe und öffnete die Fahrertür.
»Vielen Dank fürs Mitnehmen – die Busse fahren hier nur sehr unzuverlässig, aber das hattest du wahrscheinlich hier auf dem Land nicht anders erwartet, nicht wahr? Ich werde dir sagen, wie du fahren musst, nachdem du die Straße von Longhampton raus nach Hartley genommen hast«, erklärte Megan, während sie auf den Beifahrersitz kletterte. Sie musste fast hochspringen, da sie einige Zentimeter kleiner war als Rachel. Sie trug praktische Stiefel über einer alten Jeans, und als sie endlich saß, konnte Rachel den typischen Hundegeruch riechen, den sie ausströmte, vermischt mit dem Duft von »White Musk« aus dem Body Shop. »Wenn man erst einmal das Stadtzentrum verlassen hat, ist es nicht mehr weit, aber das weißt du ja sicherlich.« Sie hielt inne und lauschte. »Ist das dein Handy?«
Rachel war sofort klar, dass es nur ihr Handy sein konnte. Der Klingelton war der »Ritt der Walküren«, der sie darüber informierte, dass sich ihre Mutter am anderen Ende der Leitung befand. Der Gedanke, den Anruf einfach zu ignorieren und so zu tun, als sei sie am Steuer, war durchaus verlockend, doch Val wusste genau, dass sie heute den Termin beim Notar gehabt hatte, und würde immer wieder anrufen. Und wieder. Und wieder. Besser, sie würde es gleich hinter sich bringen.
»Ja«, antwortete sie und griff in ihre Tasche. »Das ist mein Handy. Tut mir leid, ich muss leider rangehen. Ich bin sofort wieder zurück.« Sie stieg aus dem Wagen und hielt das Handy ans Ohr. »Hallo, Mum!«
»Warst du schon beim Notar? War im Testament ein Fehler?« Val nahm kein Blatt vor den Mund. »Dein Vater und ich haben uns darüber unterhalten. Er ist der Meinung, dass es vielleicht einen Brief von Dot geben könnte, in dem beschrieben steht, wie du alles aufteilen sollst. Wenn du beim Notar bist, meine ich. Er meinte, es könnte vielleicht günstiger sein, wenn sie dir alles vermacht und du dann mit deiner Schwester teilen sollst, als wenn offiziell noch eine weitere Person etwas erbt.«
Rachel atmete tief durch die Nase ein. Diese Diskussion war seit vier Tagen im Gange. Val setzte jedes Mal da wieder an, wo sie beim letzten Telefonat aufgehört hatte. »Mum, es gibt tatsächlich einen Brief, aber den habe ich noch nicht geöffnet. Und könntest du bitte aufhören, so zu tun, als sei alles mein Fehler? Ich habe mit alldem ja nicht einmal gerechnet! Ich bin sicher, dass sich ein paar Dinge finden lassen werden,die Amelia gefallen. Außerdem glaube ich nicht, dass Dot das Ganze als Kritik beabsichtigt hatte.«
»Versteh mich bitte nicht falsch, ich werfe Dot ja gar nichts vor«, beharrte ihre Mutter in dem mühsamen Versuch, fair zu bleiben. Val verhielt sich immer fair und war im Zweifel für den Angeklagten, auch wenn sie diesem eigentlich nicht glaubte.
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