Herzensbrecher: Roman (German Edition)
fragte: »Alles in Ordnung?« Er hatte die Erfahrung gemacht, dass Maxines Anrufe nicht immer Gutes verhießen. Nach Sams Unfall war es so gewesen. Das Leben mit Kindern gestaltete sich eben nicht immer frei von kleinen und großen Katastrophen. Das hatte er inzwischen gelernt. »Geht es Sam gut?«
»Alles bestens. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich übers Wochenende wegmuss.« Ihre Stimme klang gehetzt und schroffer als beabsichtigt, aber sie wollte auf keinen Fall zu spät in der Praxis sein. Auch Charles konnte Unpünktlichkeit nicht ausstehen. »Die Termine mit dem Caterer und dem Floristen muss ich absagen, es sei denn, du möchtest allein hinfahren. Sonst verschieben wir es einfach um eine Woche.« Sie bemerkte, wie zerfahren sie klingen musste.
»Was ist denn los?« Maxine war häufig zu Tagungen eingeladen, aber nicht an den Wochenenden. Die waren ihr wegen der Kinder heilig. »Ist etwas passiert?«, fragte Charles irritiert.
»Ich fliege nach Marokko, um mich mit Blake zu treffen«, entgegnete Maxine geradeheraus.
»Du tust was? Was soll das bedeuten?« Er war mehr als nur verblüfft. Was er da hörte, gefiel ihm gar nicht.
Maxine beeilte sich, alles zu erklären. »Es hat ein schweres Erdbeben gegeben, als Blake dort war. Er hilft bei der Bergung der Verschütteten und bei der Versorgung der betroffenen Kinder. Dort muss die Hölle los sein, und Blake weiß nicht, was er tun soll. Es ist seine erste Erfahrung bei einer humanitären Hilfsaktion. Er hat mich gebeten, mir ein Bild zu machen und die Behörden bezüglich einer angemessenen Vorgehensweise zu beraten.« Sie ließ es klingen, als hätte Blake sie gebeten, ihm einen Salatkopf aus dem Supermarkt mitzubringen.
Charles war entsetzt. »Einen solchen Aufwand treibst du für ihn? Warum?«
»Nicht für ihn – für die Menschen dort. Blake verhält sich allerdings zum ersten Mal in seinem Leben wie ein Erwachsener. Ich bin stolz auf ihn. Und ich möchte ihn gern unterstützen.«
»Das ist doch lächerlich, Maxine!« Charles kochte vor Wut. »Es gibt doch den Roten Halbmond. Dich braucht dort kein Mensch.«
»Es geht doch um etwas ganz anderes«, erwiderte sie gereizt. »Ich grabe nicht nach Verschütteten, fahre keinen Krankenwagen und versorge keine Verwundeten. Ich berate die Regierung im Umgang mit traumatisierten Kindern. Genau das wird dort gebraucht. Ich bleibe nur drei Tage. Blake schickt mir sein Flugzeug.«
»Übernachtest du bei ihm?«, fragte Charles misstrauisch. Er reagierte, als hätte sie ihm gesagt, dass sie mit Blake eine Kreuzfahrt unternehmen würde. Selbst wenn: Sie hatten gemeinsam mit den Kindern tatsächlich schon einen Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff verbracht, aber sie waren sich rein freundschaftlich begegnet. Jetzt handelte es sich um eine Aufgabe, die nur ihren fachlichen Sachverstand erforderte. Ob Charles das nun begriff oder nicht.
»Wenn es dort so aussieht wie an den Erdbebenorten, an denen ich schon gewesen bin, dann werde ich vermutlich nirgendwo übernachten. Ich werde in einem LKW campieren und im Stehen schlafen. Wahrscheinlich werde ich Blake kaum zu Gesicht bekommen.« Dass Charles ihr eine Szene machte, war schlichtweg albern.
»Meiner Meinung nach solltest du auf diese Reise verzichten«, sagte er und schaltete auf stur. Er war wütend.
»Das war nicht die Frage, und ich bedaure, dass du so darüber denkst«, erwiderte Maxine kühl. »Es gibt keinen Grund, sich Sorgen zu machen«, fügte sie hinzu und bemühte sich um Verständnis für seine Lage. Er war eifersüchtig. Im Grunde war das sogar rührend. Aber hier ging es um ihr berufliches Engagement. Ihr Wissen und ihre Erfahrung wurden in Marokko dringend benötigt. »Ich liebe dich. Aber ich möchte dort helfen. Es ist reiner Zufall, dass mich ausgerechnet Blake um Hilfe gebeten hat. Ebenso gut hätte mich eine der vor Ort eingesetzten Organisationen anrufen können.«
»So ist es aber nicht. Er hat dich angerufen. Und ich kann nicht verstehen, warum du diesen Aufwand auf dich nimmst. Verdammt, als sein Sohn den Unfall hatte, hast du fast eine Woche gebraucht, um ihn ausfindig zu machen.«
»Weil er in Marokko war und es dort ein Erdbeben gegeben hat«, beschwor sie ihn verzweifelt. Dieses Gespräch erschien ihr von Minute zu Minute absurder.
»Ja, und wo war er die übrige Zeit im Leben der Kinder? Da ist er auf Partys und Yachten den Frauen nachgelaufen. Du hast selbst gesagt, dass du ihn nur schwer erreichen kannst, und das hat
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