Herzensbrecher: Roman (German Edition)
den Kindern?«, fragte Maxine. »Haben die Behörden bereits etwas in die Wege geleitet?« Sie wusste, dass man nichts unternehmen konnte, bevor der Tod der Eltern bestätigt war und keine anderen Familienmitglieder gefunden wurden.
»Die Regierung arbeitet zusammen mit dem Roten Halbmond daran, aber bisher ist alles ziemlich chaotisch. Der Großteil der Information läuft über Mundpropaganda. Über vieles weiß ich auch nicht Bescheid. Ich kümmere mich vor allem um die Kinder.« Maxine schaute ihn überrascht an. Schließlich hatte er sich in den letzten Jahren kaum um seine eigenen Kinder gekümmert.
Während der folgenden zwei Stunden streifte sie mit ihm durch das Camp und unterhielt sich mit den Menschen, soweit es ging, auf Französisch. Sie bot im Lazarett ihre Hilfe an und stellte sich dem leitenden Chirurgen als Psychiaterin vor, die auf Traumabewältigung spezialisiert war. Der Mann ließ sie mit mehreren Frauen und einem alten Mann sprechen. Eine der Frauen war mit Zwillingen schwanger gewesen. Sie hatte bei dem Beben beide Kinder und ihren Mann verloren. Er lag unter den Trümmern ihres Hauses. Irgendwie war es ihm gelungen, sie aus dem Haus zu schaffen, und war dann verschüttet worden, berichtete die Frau. Sie hatte noch drei weitere Kinder, aber bisher waren sie nicht gefunden worden. Es gab Dutzende solcher Fälle. Ein hübsches junges Mädchen hatte beide Arme verloren. Sie weinte herzzerreißend und rief nach ihrer Mutter. Maxine streichelte ihr übers Haar, und Blake wandte sich mit Tränen in den Augen ab.
Die Sonne ging schon unter, als Maxine und Blake bei einem der Lkws vom Roten Halbmond stehen blieben und eine Tasse Pfefferminztee tranken. Während sie schweigend an dem dampfenden Getränk nippten, hörten sie den Ruf zum Gebet, der von der Stadt herüberschallte, ausgesandt von der Hauptmoschee. Ein unvergesslicher Klang. Maxine hatte versprochen, später ins Feldlazarett zurückzukehren und Pläne für den Umgang mit traumatisierten Opfern und Helfern auszuarbeiten. Die Hilfskräfte hatten schreckliche Tragödien gesehen und erlebt. Maxine hatte kurz mit einigen Mitarbeitern vom Roten Halbmond gesprochen. Sie hatten alle Hände voll zu tun, das Leben der Menschen zu retten, erst danach würde man sich um psychische Probleme kümmern können. Momentan konnte man nicht mehr tun, als mit möglichst vielen Menschen zu sprechen. Maxine und Blake waren seit Stunden auf den Beinen. Erst als sie den Tee tranken, dachte Maxine plötzlich an Arabella und fragte Blake, ob sie immer noch zu seinem Leben gehörte.
Er lächelte und nickte. »Sie arbeitet an einem Porträt und konnte nicht mitkommen. Aber ich bin froh, dass sie nicht hier ist. Sie fällt schon in Ohnmacht, wenn sich jemand in den Finger schneidet. Sie ist in meinem Haus in London.«
Arabella war schon vor Monaten bei Blake eingezogen, ein absolutes Novum. Maxine war beeindruckt, dass die Beziehung nun schon seit sieben Monaten andauerte.
»Das ist wohl was Festes?«, fragte sie grinsend und trank ihren Tee aus.
»Vielleicht«, antwortete Blake verlegen. »Was immer das heißen mag. Ich bin nicht so ein Draufgänger wie du, Maxine. Ich brauche nicht zu heiraten.« Er hielt die geplante Hochzeit für eine mutige Entscheidung und freute sich für Maxine. »Ich wollte dir übrigens noch etwas sagen. Ich möchte für dich und Charles das Rehearsal Dinner am Abend vor eurer Hochzeit ausrichten. Das schulde ich dir.«
»Du schuldest mir gar nichts«, erwiderte sie mit sanfter Stimme. Die Schutzmaske hing um ihren Hals. Der Gestank war furchtbar, aber sie hatte die Maske abgenommen, um den Tee zu trinken. Sie hatte auch Blake eine Maske und OP-Handschuhe gegeben. Die Gefahr, sich zu infizieren, war sehr groß. Den ganzen Tag hatten Soldaten Tote beerdigt. Das Wehklagen der Angehörigen verstummte nicht für eine Minute. Es war ein gespenstisches Heulen voller Qual, das zum Glück zeitweise von den Bulldozern übertönt wurde.
»Aber es wäre mir ein Vergnügen und eine Ehre. Haben sich die Kinder denn mittlerweile an die Vorstellung gewöhnt, bald einen Stiefvater im Haus zu haben?«
»Nein«, antwortete Maxine ehrlich. »Aber das kommt noch. Charles ist ein prima Kerl. Er ist nur etwas ungeschickt im Umgang mit Kindern.« Sie erzählte Blake von ihrer ersten Verabredung mit Charles, und er lachte herzhaft.
»Ich hätte die Beine in die Hand genommen und wäre gerannt wie der Teufel«, gestand Blake. »Obwohl es meine Kinder
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