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Herzensjunge

Titel: Herzensjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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anderen aber auch wissen lassen, was uns quält.«
    »Was quält dich?«, fragt Jan.
    »Jemanden zu lieben, der mir nicht traut.«
    Jan guckt mich an. »Weißt du noch, wie ich gesagt habe, dass du das erste Mädchen wärest, zu dem ich einfach Vertrauen habe?«
    »Eben«, sage ich, »wo ist das Vertrauen?«
    »Lass mir noch Zeit«, sagt Jan.
    Er rappelt sich hoch und öffnet die Terrassentür. Die
Sonne scheint so schön, doch die Luft, die hineinkommt, ist kalt. Trotzdem geht Jan nach draußen und lehnt sich an das weiße schmiedeeiserne Gitter. Nicht dass ihm wieder schwindelig wird. Ich tappe hinterher.
    Viel zu kalt in dem Patchworkkleid aus Omas Schrank, das ich anhabe. Jan zittert in dem Hemd, das in allen rosa Tönen glänzt bis hin zu Pink und einen bestickten Kragen hat. Dass Männer so was angezogen haben! Das würde man heute nur noch auf der Love-Parade tragen.
    »Lass uns reingehen«, sage ich, »ich frage auch nichts mehr.«
    »Ich habe einen Schlag auf den Kopf gekriegt«, sagt Jan.
    »Du bist niedergeschlagen worden?«, frage ich.
    »Könnte man sagen«, sagt Jan.
    Was ist das hier? Ein Quiz? Werde ich es bis zur Hundert-Euro-Frage schaffen oder scheide ich schon vorher aus? Ich kehre zurück ins warme Zimmer.
    Jan folgt mir und greift nach seinem weißen Zopfpullover, der über dem Klavierhocker liegt. Will er gehen?
    Er streift den Pullover über den Kopf und kommt auf mich zu. Nimmt mich in die Arme und hält mich fest, bis ich wieder auftaue.
    »Was hältst du davon, wenn ich dir was auf dem Klavier beibringe?«, spricht er in meinen Hals hinein und küsst mich, dass es zwickt.
    Oder mir einen kleinen Knutschfleck macht, denke ich. Ist das nun seine Unerfahrenheit oder hat er doch
schon mit dem Mädchen aus Husum geübt und dieses Zwicken ist hohe Kunst?
    »Gute Idee«, sage ich leise. »Könnte nämlich sein, dass mein Vater mal was von mir vorgespielt bekommen möchte.«
    Jan ist wirklich großartig im Wechseln von Themen.
    Kaum eine Stunde später strahle ich, denn ich bin ein Talent. Kann schon das Lied der Meermädchen spielen. Mit der rechten Hand. Die linke stolpert noch hinterher. Immerhin ist es nicht Hänschen klein , sondern ein Lied aus einer Oper. Oberon von Carl Maria von Weber. Jan hat dieses Stück unter Omas Noten gefunden. Der junge Pianist heißt das Album und ist schon ganz zerfleddert. Muss noch aus Omas Jugend sein. Die Noten sind für Doofe gesetzt. Das sehe sogar ich auf einen Blick. Doch das Lied hat sogar ein Kreuzchen. Die Note F wird zu Fis. Klingt schön. Ein wenig wehmütig.
    Es fängt schon an, dunkel zu werden, als wir zu Oma aufbrechen. Dabei ist es noch nicht einmal fünf Uhr. Ich ziehe das Patchworkkleid aus und Jeans und Pullover an und verzichte schweren Herzens darauf, Omas Schaffellmantel anzuziehen, den ich im Schrank gefunden habe.
    Würde äußerst dumm auffallen, wenn ich damit nach Hause käme.
    Erst als wir schon den halben Weg nach St. Georg zurückgelegt haben, fällt es Jan ein, dass er noch das Hippiehemd unter seinem Zopfpullover anhat.

38
    Eigentlich finde ich diese Mahlzeitteilerei gut, auf die Papa so einen großen Wert legt.Vor allem an den Sonntagabenden, denn dann kommt immer was Besonderes auf den Tisch, auch schon mal ein gebratenes Huhn. Das liebe ich. Papa ist kein richtiger Vegetarier, er isst zwar kaum Fleisch, doch es gibt Ausnahmen. Auf der Haut gebratene Hühnerbrüste gehören zu den Ausnahmen.
    Ich klingele, denn ich habe zwar Omas Schlüssel in der Tasche, doch unser eigener liegt in meinem Zimmer auf dem Schreibtisch. Papa öffnet und schaut mich aufmerksam an, als wolle er in meinem Gesicht lesen. Jedenfalls deute ich seinen Blick so.
    Doch ich bin ganz gelassen. Komme ja auch nicht direkt aus meiner Liebeshöhle, sondern aus dem Krankenhaus St. Georg. Ich habe noch extra lang bei Oma gesessen, nachdem sich Jan schon verabschiedet hatte. Er wollte seinen Vater am Sonntagabend nicht allein lassen.
    Stelle ich mir trostlos vor, Jens und Jan Torge zwischen den Kartons.
    Es duftet wunderbar. Ich finde, dass der Duft von gebratenen Hühnern zu den besten gehört und vielen Parfüms vorzuziehen ist. Überhaupt sollten die Parfümmacher sich viel mehr an Düften aus der Küche orientieren. Oma findet zum Beispiel nichts betörender als den Duft von frischem Basilikum.
    »Ich soll euch alle grüßen«, rufe ich in die Wohnung hinein, »Oma ist sehr guten Mutes. Sie freut sich richtig auf ihre Herzklappe.«

    Es ist einer dieser

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