Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
alten Mannes stand ein Glanz, der die lebendigen Bilder sofort vertrieb, die die Aussage von Gerda Klein in Jennifers Kopf heraufbeschworen hatte. Doktor Rabe hatte recht gehabt. Der Kerl hatte die detaillierte Beschreibung seiner grausamen Tat genossen. Jennifer spürte, wie sich heiße Wut in ihrem Brustkorb zusammenballte, brachte aber keinen Ton heraus.
Oliver musste für sie einspringen. Seine Stimme hatte einen eisigen Klang. »Sie haben diesen Kindern den Schädel aufgebohrt oder sind mit an Eispickel erinnernden Werkzeugen durch die Augenhöhle in die Gehirne Ihrer wehrlosen Opfer eingedrungen und haben, ohne chirurgische Ausbildung oder die notwendigen Fachkenntnisse, in ihnen herumgeschnitten. Und dabei war Ihnen vollkommen bewusst, welche Schäden eine Lobotomie anrichtet. Sie haben diese schweren Schädigungen nicht nur in Kauf genommen, Sie haben sie bewusst herbeigeführt, mit allen bekannten Folgen: Verlust der Emotionalität bis hin zu schweren Persönlichkeitsstörungen oder gar Tod. Sie haben diese Kinder zerstört. Dutzende, wenn man den Vermutungen Gerda Kleins folgt. Wie viele von ihnen später daran gestorben sind, möchte ich mir gar nicht vorstellen. Nach dem, was Frau Klein ausgesagt hat, müssen Sie sich selbst für einen brillanten Arzt und Neurologen halten, Herr Kühn. In Wirklichkeit sind Sie aber ein verabscheuungswürdiger Mörder, der für den Rest seines erbärmlichen Lebens hinter Gitter gehört.«
»Pah!«, rief Carsten Teubner, um sich endlich Gehör zu verschaffen. »Das ist lächerlich! Wenn auch nur ein kleiner Teil dieser Anschuldigungen der Wahrheit entsprechen würde, wäre mein Mandant vor dreißig Jahren verurteilt worden! Was offensichtlich nicht der Fall ist. Phantasien irgendeiner Frau, die …«
»Ihr Mandant wäre angeklagt und verurteilt worden«, stellte Grohmann fest, »wenn er nicht die richtigen Freunde gehabt hätte. Darunter einen Staatsanwalt, der offenbar kein Interesse daran hatte, gegen seinen ehemaligen Schulfreund vorzugehen, der noch dazu in denselben Kreisen verkehrte wie er.«
»Sie beschuldigen gerade Ihre eigene Zunft, Herr Grohmann. Lehnen Sie sich da nicht ein bisschen zu weit aus dem Fenster?«
»Diese Akte ist alles, was ich brauche. Die Hausdurchsuchung bei Ihrem Mandanten erfolgte damals angekündigt. Er hatte genug Zeit, seine persönlichen Aufzeichnungen, die ihn zweifellos überführt hätten, zu verbrennen. Die Beamten fanden einschlägige Spuren im Kamin. Doktor Mertens behauptete, Altpapier verbrannt zu haben, was seine Haushälterin, die er sich damals noch leisten konnte, bestätigte. Dasselbe Spiel in seiner Praxis. Die anschließenden Ermittlungen verliefen schleppend, und die Befragungen in den Heimen wurden nur noch oberflächlich geführt, ebenfalls auf Betreiben des besagten Staatsanwalts. Leider deckten die Medien die Verbindung zwischen Doktor Mertens und dem Beamten erst auf, als das Verfahren bereits eingestellt war, sich niemand mehr für den Fall interessierte und die einzige Zeugin, Frau Klein, Selbstmord begangen hatte.«
Mertens’ Verteidiger blickte Grohmann an, als ob er es mit einem Verrückten zu tun hätte. »Und weiter? Worauf wollen Sie hinaus? Alles, was Sie haben, ist diese dreißig Jahre alte Akte, ein ebenso altes Verfahren voller Ermittlungsfehler, wilden Spekulationen und Vermutungen. Keine Zeugen, keine Opfer. Sie wollen mir doch nicht etwa sagen, dass Sie ernsthaft in Erwägung ziehen, die Ermittlungen gegen meinen Mandanten wiederaufzunehmen?«
»Teilweise muss ich Ihrer Einschätzung leider zustimmen, doch mit einer Annahme liegen Sie völlig falsch. Wir haben durchaus ein Opfer, einen Zeugen.« Grohmann sah wieder Mertens an, dessen Gesichtsausdruck inzwischen verriet, dass er dem Schlagabtausch aufmerksam folgte. »Sie haben Ihren Namen geändert und sind in eine andere Stadt gezogen. Die Ermittlungen gegen Sie erregten damals zwar nur mittelmäßige Aufmerksamkeit, jedoch genug, um Sie zu zwingen, Frankfurt zu verlassen. Doch Ihre Vergangenheit hat Sie eingeholt. Sie haben nicht nur Kinder zerstört, Sie haben kranke Menschen erschaffen, und mindestens einer davon ist zum Monster mutiert. Sie haben ihn seiner Fähigkeit beraubt, Emotionen zu entwickeln, und jetzt hat er damit begonnen, anderen Menschen ihre Emotionen zu stehlen, indem er ihnen die Herzen entreißt. Er hat Sie gefunden. Er klagt Sie an. Mit jedem Foto, das er Ihnen schickt. Er begeht seine Morde in Ihrem Namen. Die Kinder auf
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