Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Ausruhen ausgesucht hatte. Bevor sie ihn verluden, öffnete Professor Meurer den schwarzen Leichensack, sodass die Kommissarin einen Blick auf den Toten werfen und mit einem knappen Nicken bestätigen konnte, dass es sich um den Verdächtigen handelte.
Drachs Körper wies eine bläulich-weiße Verfärbung auf und sah so steif gefroren aus, wie Jennifer sich fühlte. Nur die Narbe zwischen seiner Nase und seinem linken Auge zeichnete sich dunkelrot ab.
Die Taucher der Feuerwehr und einige Uniformierte kamen auf die Lichtung. Möhring und Grohmann bildeten das Schlusslicht. Sie sprachen noch kurz miteinander, bevor der Leiter der Einsatzabteilung in seinen Wagen stieg und Oliver zu ihr herübergeschlendert kam. Er sah erschöpft und müde aus. An seinem Mantel und seiner Jeans klebte Selina Fiedlers Blut.
Mit einem stummen Kopfschütteln drückte er seine Missbilligung darüber aus, dass Jennifer noch immer hier herumsaß. Er ließ sich neben ihr in dem offenen Kofferraum nieder und sah zu, wie der Leichenwagen abfuhr.
Einen Moment lang sagte keiner von beiden etwas.
Jennifer bemühte sich nach Kräften, nicht mit den Zähnen zu klappern. »Wer hat geschossen?«, fragte sie.
»Ein Beamter auf Möhrings Anweisung hin. Eigentlich sollte verhindert werden, dass Drach das Eis zum Brechen bringt.« Olivers Stimme klang geschwächt. »Ich habe mir seinen Namen nicht gemerkt. Unwichtig.«
»Und welcher Vollidiot ist mit Sirene und Blaulicht zum Friedhof gefahren?« Der Fotograf könnte noch leben, wenn ihre Anweisungen befolgt worden wären. Sie hätte ihn überwältigen und festnehmen können. Jetzt war er tot. Bei der Aufarbeitung des Falls waren sie nun ausschließlich auf die Beweise angewiesen, die er zurückgelassen hatte.
»Deine Ansage hat nicht alle erreicht. Möhring hatte bereits Einheiten losgeschickt, als er von Thomas Kramer über unseren Plan informiert wurde.« Olivers Lächeln fiel schwach aus. »Niemand da, dem du den Kopf abreißen kannst.«
»Du aber auch nicht.«
Er runzelte die Stirn. »Wieso sollte ich?«
»Kein Verfahren, keine Verurteilung. Ein toter Killer.«
Oliver nahm es gelassen. »Damit kann ich leben.«
Jennifer fröstelte. »Ist es nicht der Traum eines jeden Staatsanwalts, so einen Typen lebenslang hinter Gitter zu bringen, mit anschließender Sicherungsverwahrung?«
»Keine Ahnung. Mein Traum ist es jedenfalls nicht. Außerdem hätte Drach wahrscheinlich ohnehin nicht als schuldfähig gegolten.« Er schwieg kurz. »Es ist vorbei. Ich bin einfach nur froh, dass Selina Fiedler noch lebt und auch dir nichts Ernstes passiert ist.«
Dito , dachte Jennifer, sagte es jedoch nicht. »Ich bin hart im Nehmen.« Sie schloss die Augen und spürte sofort, wie Müdigkeit und Erschöpfung über sie hinwegrollten – wie eine riesige Welle, die sie zu verschlingen drohte. »Wärst du so nett, mich auf dem Weg ins Präsidium zu Hause abzusetzen?«
Er musterte sie mehrere Sekunden lang und fasste dann einen Entschluss. »Ich hätte dir einen anderen Vorschlag zu machen.«
»Und der wäre?«
»Ich fahre dich in die Klinik.« Sie wollte protestieren, doch er kam ihr zuvor. »Zu Hause bist du alleine, Jennifer. Wenn du heute Nacht kollabierst, bekommt das niemand mit. Mein Vorschlag lautet, dass ich dich ins Krankenhaus bringe, du über Nacht dort bleibst und dich behandeln lässt. Morgen am späten Vormittag, sobald sich die Ärzte bereit erklären, dich auf eigenen Wunsch zu entlassen, hole ich dich ab, und wir fahren gemeinsam nach Wiesbaden.«
Jennifer runzelte die Stirn. »Wieso nach Wiesbaden?«
»Die Spurensicherung nimmt gerade den Schlachthof auseinander. Sie haben Briefe von Mertens gefunden. Ich weiß zwar noch nicht, was drinsteht, aber ich gehe jede Wette ein, dass ich morgen Mittag etwas habe, worüber ich mich mit diesem Scheißkerl unterhalten will. Möglicherweise etwas, das über Strafvereitelung und Behinderung der Justiz hinausgeht.«
»Briefe?« Benommen schüttelte Jennifer den Kopf. Jetzt verstand sie, von wem Drach gesprochen hatte. Mertens hatte gewusst, wer der Täter war, und hatte geschwiegen. Und möglicherweise nicht nur das.
Am liebsten wäre sie sofort in die ehemalige Schlachterei zurückgekehrt und hätte sich die Briefe selbst angesehen, doch sie wusste, dass sie das nicht mehr durchhalten würde. Es gab Teile ihres Körpers, die sich kaum noch wie ihre eigenen anfühlten, und jeder einzelne Muskel schien lahm und schwer zu sein.
Sie stellte den Becher
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