Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
gerechnet, dass Oliver auf die idiotische Idee kommen könnte, seine Anweisung tatsächlich durchzusetzen. Sie hatte ihn unterschätzt. Schon wieder.
Dabei war sie sich nicht einmal sicher, ob er seine Drohung wirklich wahrmachen würde. Würde er tatsächlich so weit gehen, die ganze Angelegenheit auf dienstlichem Weg zu klären und ihr während ihrer aktuellen Ermittlungen auch noch die Interne auf den Hals zu hetzen?
Jennifer wusste es nicht.
Was sie hingegen wusste, war, dass Oliver mit seinem Standpunkt, was diesen freien Abend anging, nicht ganz unrecht hatte. Ebenso war ihr klar, dass sie sich zu sehr daran gewöhnt hatte, ihm als gleichgestelltem Kollegen, wenn nicht sogar Freund zu begegnen.
Die Grenzen zwischen ihnen begannen zu verschwimmen. Bisher hatte es deshalb keine Probleme gegeben. Vielleicht war sie tatsächlich zu weit gegangen.
Sie dachte ernsthaft darüber nach, sich bei ihm zu entschuldigen, die ganze Angelegenheit damit beizulegen und nach Hause zu fahren, um sich einen ruhigen Abend zu gönnen. Allerdings musste sie sich selbst eingestehen, dass es absolut illusorisch war zu glauben, sie würde am Ende nicht doch auf die eine oder andere Weise arbeiten.
Wenn sie ehrlich war, gefiel ihr die Idee eines gemeinsamen Essens sogar ein wenig. Es könnte sie für ein paar Stunden ablenken, und sie würde eine ordentliche Mahlzeit zu sich nehmen, sogar ausnahmsweise in Gesellschaft. Nur ob ihr die Art von Gesellschaft recht war, wusste sie noch nicht so wirklich, was weniger an ihrer Auseinandersetzung mit Oliver als vielmehr an Katias und Jariks dämlicher Wette lag.
Oliver begrüßte sie mit einem Lächeln, mit dem er ihr wortlos zu verstehen gab, dass er einen Sieg davongetragen hatte. Es machte sie wütend, doch sie ließ sich nicht dazu hinreißen, ihren Streit aufs Neue zu befeuern. Stattdessen strafte sie ihn mit Nichtachtung, während sie gemeinsam zu seinem Auto gingen und auch während der Fahrt in die Innenstadt.
Sie fragte ihn nicht einmal, wohin er eigentlich wollte. Wortlos folgte sie ihm in ein kleines Restaurant im Stadtzentrum. Die Bedienung war höflich, und ihr Lächeln ließ vermuten, dass der Staatsanwalt hier nicht zum ersten Mal zu Gast war.
Jennifer warf nur einen kurzen Blick in die Karte, ohne sie überhaupt zu lesen. Sie konnte nicht länger schweigen. Eigentlich wollte sie ihm sagen, wie bescheuert die ganze Angelegenheit war, dass es ihn verdammt noch mal nichts anging, wie und wo sie ihre Abende verbrachte, und dass er sich seine Drohungen sparen konnte. Doch ihre Worte fielen zu ihrer eigenen Überraschung gänzlich anders aus, und auch ihr Tonfall transportierte nicht annähernd das ganze Ausmaß ihrer Verärgerung. »Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.«
Oliver warf ihr über seine eigene Karte hinweg einen kurzen Blick zu. Er lächelte. »Offensichtlich schon. Auf andere Weise bist du ja nicht von deinem Schreibtisch wegzubekom men.«
Darauf wusste sie erst einmal nichts zu antworten. »Vielleicht«, räumte sie schließlich zerknirscht ein. »Trotzdem hättest du nicht deinen eigenen Feierabend opfern müssen.«
Er ließ die Karte sinken. Ihr Eingeständnis schien ihn zu überraschen. »Bis jetzt habe ich, soweit ich das beurteilen kann, noch nichts geopfert. Essen hätte ich so oder so müssen. Ebenso wie du. Und zwar etwas anderes als Fast Food. Deine Küche ist in den letzten Tagen mit Sicherheit kalt geblieben.«
Jennifer zuckte die Schultern. »Eigentlich bleibt sie das immer.«
Oliver sah sie verblüfft an. Er hatte ihre Küche gesehen, die groß genug war, um problemlos mehreren Köchen Platz zu bieten. »Ernsthaft? Andere Leute beneiden dich um diese Küchenausstattung, und du nutzt sie nicht? Überhaupt nicht?«
Normalerweise hätte sie geantwortet, dass es sich nicht lohne, für eine einzige Person zu kochen. Zu ihrer eigenen Überraschung griff sie diesmal aber nicht zu dieser vertrauten Notlüge, sondern sagte die Wahrheit. »Ich kann nicht kochen.«
Oliver wirkte einen Moment lang perplex. »Ehrlich?«, fragte er schließlich.
Sie nickte. »Ehrlich. In der Küche bin ich eine einzige Katastrophe. Ob Kochen oder Backen, ich bin eine absolute Niete.«
»Wieso dann so eine Küche?«
»Ich hatte den Platz, sie sah gut aus …« Jennifer zuckte die Schultern. Irgendwie hatte sie die Leere der großen Wohnung füllen müssen, die sie sich in Lemanshain gekauft hatte. Das Thema war ihr unangenehm, weshalb sie sich für die
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