Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Gegenoffensive entschied. »Bestelldienste sind auch nicht die schlechteste Lösung. Du wirst mir ja wohl kaum erzählen wollen, dass du dir jeden Abend selbst etwas zu essen machst?«
»Wesentlich öfter, als du es mir offenbar zutraust«, erwiderte er lächelnd. »Eine der wenigen Fähigkeiten, über die meine Ex offenbar sogar heute noch lobende Worte findet. Zumindest, wenn ich Hannah Glauben schenken darf.«
Jennifer musterte ihn zweifelnd. »Du kannst kochen?«
Oliver nickte. »Und das nicht nur gut, sondern auch gerne.« Er blickte sie über den Tisch hinweg an. »Du siehst erstaunt, um nicht zu sagen ungläubig aus.«
Ein Lächeln verzog ihre Mundwinkel. »Den Beweis für deine Kochkünste müsstet du erst einmal erbringen.«
Seine Augen blitzten schelmisch auf. »Dann kenne ich ja jetzt eine Maßnahme, um dich auch zukünftig abends mal von deinem Büro fernzuhalten.«
»Und ich weiß, an wen ich mich vertrauensvoll wenden kann, wenn ich für irgendeine Gelegenheit etwas Selbstgekochtes brauche.«
»Nur zu. Deine Küche hätte ich gerne mal zur Verfügung.«
»Neidisch?«, fragte Jennifer.
»Ja.« Oliver nickte. »Wie es so ziemlich jeder begeisterte Hobbykoch wäre.«
»Wir können ja die Wohnungen tauschen«, schlug sie scherzhaft vor.
»Führe mich nicht in Versuchung. Ich könnte bald auf dein Angebot zurückkommen.«
Die Ankunft der Bedienung unterbrach ihr Gespräch. Jennifer war noch nicht dazu gekommen, die Karte zu studieren, und bestellte, was ihr als Erstes ins Auge fiel, als sie sie erneut aufschlug. Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen orderte sie dazu einen Spätburgunder. Den Gedanken an Marcel schob sie energisch beiseite. Nach den letzten eineinhalb Wochen hatte sie sich ein gutes Glas Rotwein mehr als verdient.
Nachdem die Kellnerin gegangen war, knüpfte Jennifer an ihre Unterhaltung an, diesmal allerdings in ernstem Ton: »Das bedeutet also, Hannah bleibt?«
Oliver zögerte. »Ich weiß es noch nicht. Ich weiß nicht einmal, ob ich es mir wünschen soll … Es ist kompliziert.«
»Kommt ihr denn wenigstens einigermaßen klar?«
»Wir sehen uns kaum, aber wenn wir uns begegnen, kommen wir erstaunlich gut miteinander aus. Sie lebt sich ein.« Wieder zögerte er. »Sie scheint einen Freund zu haben, oder zumindest hat sie sich in irgendeinen Kerl verknallt.«
»Oh.« Meistens war ein Freund in Hannahs Alter für Väter ein schwieriges Thema.
Olivers Lächeln zeigte, dass er wusste, was sie dachte. »Ich versuche noch herauszufinden, was ich davon halten soll. Ebenso habe ich nicht die geringste Ahnung, ob ich mir wirklich einen pubertierenden Teenager ins Haus holen soll. Jedenfalls kann Hannah nicht ewig auf dem Sofa schlafen.«
»Sie hat dich mit ihrem plötzlichen Auftauchen ziemlich überrollt«, stellte Jennifer fest.
»Allerdings. Aber ich bin froh, dass sie es getan hat.« Er verfiel für wenige Sekunden in Schweigen, bevor er fragte: »Wie geht es eigentlich deinem Bruder?«
Er meinte Bastian, Jennifers jüngsten Bruder, das Sorgenkind ihrer Eltern. »Frag lieber nicht.«
»So schlimm?«
Sie wollte eigentlich nicht über die Probleme ihrer Familie sprechen. Über die Monate hinweg hatte sie aber zwangsweise genügend Telefonate in Olivers Gegenwart geführt, sodass er ohnehin bestens Bescheid wusste. »Seit Weihnachten geht es rapide abwärts. Meine Mutter ist mit den Nerven ziemlich am Ende und jammert mir die Ohren voll, dass ich heimkommen und versuchen soll, mit ihm zu reden. Als ob das etwas bringen würde.«
»Das hört sich nicht wirklich neu an.«
Jennifer seufzte. »Meine Mutter macht inzwischen aus jeder Kleinigkeit eine Staatsaffäre, droht Bastian mit Internat und Erziehungsheim und was weiß ich. Er reagiert darauf, indem er sich noch mehr zurückzieht und noch mehr Mist baut.« Sie schüttelte den Kopf. »Was ihm hauptsächlich fehlen dürfte, ist eine Perspektive, ein Ziel im Leben … Das findet man aber nicht durch Drohungen und Verbote. Ihm ständig zu erzählen, dass er gute Noten braucht und sich in diesem oder jenem Fach anstrengen muss, ohne dass er eine Vorstellung davon hat, was er später im Leben mal damit anfangen soll, erscheint mir wenig zielführend.«
»Erziehung ist kein einfaches Thema.« Oliver schenkte Jennifer ein verständnisvolles Lächeln. »Aber deinen Gedanken finde ich gut … Das mit der Perspektive. Sollte ich mir merken.«
»Mir ging es in Bastians Alter ganz ähnlich …« Jennifer brach ab. »Ich meine,
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