Herzenskälte: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
das nicht, Hannah«, sagte Oliver leise. »Du hast allen Grund, wütend zu sein, auf mich, auf deine Mutter … Aber stoß sie nicht von dir …«
Hannah lachte freudlos. »Du nimmst sie in Schutz. Welchen Beweis brauche ich noch dafür, dass du die Wahrheit sagst?«
Er sah sie fragend an.
»Du hast nicht mehr den geringsten Grund, mich anzulügen.«
»Wieso das?«
»Weil du nicht mehr wütend auf Mama bist.«
Oliver schüttelte den Kopf. »Das würde ich so nicht unterschreiben. Bei allem Verständnis bin ich trotzdem noch ziemlich wütend auf deine Mutter. Und wahnsinnig enttäuscht. Nachdem ich dieses Foto gesehen habe, mehr denn je. Ich zeige es nur nicht.«
»Das würde bedeuten, dass du noch immer Gefühle für sie hast«, stellte Hannah fest.
Er war versucht, es abzustreiten, doch so einfach war das nicht. »Deine Mutter und ich haben uns geliebt, Hannah. Wir waren bald zwei Jahrzehnte ein glückliches Paar, bevor … bevor ich Scheiße gebaut habe. Wir haben dich. Trotz allem, was passiert ist, könnte ich nicht einfach jede Empfindung für sie abschalten. Auch wenn am Ende vielleicht nur noch die Wut bleibt.«
Hannah seufzte. »Wut verbindet euch auf jeden Fall. Sie sagt, dass sie dich verklagen will. Sie will das alleinige Sorgerecht.«
Oliver war natürlich klar gewesen, dass Bianca Kontakt zu ihrer Tochter haben musste, selbst jetzt im Moment. Dass sie so offen mit ihr über ihre Absichten sprach, überraschte ihn allerdings. »Kann ich mir denken.«
»Wird sie es bekommen?« In Hannahs Stimme schwang ein sorgenvoller Ton mit, und der Ausdruck in ihren Augen sagte alles. Hannah wusste nicht mehr, wo sie hingehörte, stand zwischen ihren Eltern, innerlich zerrissen. Dass ein Gericht ihr Schicksal besiegeln könnte, bevor sie selbst wusste, was sie sich wünschte, wohin sie gehören wollte, machte ihr Angst.
Es war der Zustand, den sich Oliver für sie als Scheidungskind niemals gewünscht hatte. »Nur über meine Leiche«, erwiderte er weitaus weniger kämpferisch, als es seine Worte vermuten ließen. »Es sei denn, es wäre dein ausdrücklicher Wunsch.«
Hannah nickte. »Okay.«
Erst jetzt begann Oliver zu ahnen, welche Auseinandersetzungen ihm in den nächsten Monaten möglicherweise ins Haus standen. Eben all jene Kämpfe mit Bianca, denen er sich vor vier Jahren entzogen hatte, als er einsehen musste, dass seine Frau und seine Tochter für ihn verloren waren. Und er fürchtete, dass die Hauptleidtragende in dem ganzen Verfahren Hannah sein würde.
14
Jennifer war frustriert. Seit ihrem gestrigen Besuch bei Wilfried Mertens waren sie noch keinen Schritt weitergekommen.
Die Kameras im Eingangsbereich des Altenheims sparten den Briefkasten aus, denn sie waren allein zu dem Zweck angebracht worden, der unbemerkten Flucht von Heimbewohnern vorzubeugen. Die Wiesbadener Kollegen hatten sich erfreulich kooperativ gezeigt und mit der erkennungsdienstlichen Behandlung von Pontus Lohaus sowie der Mitarbeiter des Heims bereits begonnen, bevor die notwendigen Anträge aus Lemanshain vorlagen.
Doch bisher hatte Jarik Fröhlich keinen Erfolg zu vermelden gehabt. Auf den Fotos und den kopierten Wortlisten hatten sie nur die Fingerabdrücke des Anwalts gefunden. Die Umschläge waren mit Fingerabdrücken übersät, doch bevor nicht alle Vergleichsdaten vorlagen, war es sinnlos, irgendeinen Abdruck ans LKA zu schicken. Sie hatten zwei Abdrücke, die sie noch nicht zuordnen konnten, und ebenso viele Mitarbeiter, die die Umschläge möglicherweise angefasst hatten und noch nicht auf dem Revier in Wiesbaden erschienen waren. Eine Pflegerin weilte in Ägypten im Urlaub, der andere Mitarbeiter hatte vor einer Woche gekündigt und war in seine Heimat Ungarn zurückgekehrt.
Jarik hatte Jennifer wenig Hoffnung gemacht, dass sie DNS -Spuren finden würden. Nicht nur die ungestempelten Briefmarken waren selbstklebend, sondern auch die Umschläge.
Die Ermittlungen im Umfeld von Cedric Mattes und Horst Neubert hatten ebenfalls keine neuen Hinweise ergeben.
Der Student, der Neubert an der Bushaltestelle entdeckt hatte, war inzwischen wieder nüchtern, erinnerte sich jedoch kaum noch daran, einen Toten gefunden und die Polizei verständigt zu haben. Andere Zeugen hatten sich bisher nicht gemeldet. Neuberts Kundenkartei und seine Aufzeichnungen waren zwar noch nicht vollständig durchgearbeitet, bisher hatten sie aber keinerlei Auffälligkeiten gefunden.
Es gab keine offensichtliche Verbindung zwischen den drei
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