Herzensruhe
sich miteinander wieder zu regenerieren. Diese Einladung Jesu gilt für uns heute genauso. Jesus fordert uns immer wieder auf, uns bewußt zurückzuziehen von der Menge, um an einem einsamen Ort mit uns selbst eins zu werden und die Einheit mit Gott zu erfahren. Das Gebet ist so ein Rückzug an einen einsamen Ort. Das gilt nicht nur für die Zeit der Stille, in der wir uns von andern absondern, sondern auch als innere Wirklichkeit.
Im Gebet gelangen wir in den inneren Raum, in dem wir allein sind mit Gott, in dem wir alleins sind, eins mit Gott, eins mit uns selbst, eins mit der ganzen Schöpfung. Jesus verschafft uns Ruhe, und er verheißt uns, daß wir für unsere Seele Ruhe finden werden, wenn wir bei ihm in die Schule gehen. Die Ruhe beginnt bei der Seele. Zuerst muß das Innere in uns zur Ruhe kommen. Dann wird sich die Ruhe auch im Leib auswirken.
Wenn das Herz ruhig geworden ist, dann werden wir auch unser Tun in aller Ruhe vollziehen, dann werden unsere Bewegungen aus der inneren Ruhe herausfließen, dann haben wir teil an der schöpferischen Ruhe Gottes.
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3. Eingehen in die Sabbatruhe
Der Hebräerbrief antwortet am Ende des ersten Jahrhunderts den offensichtlich müde gewordenen Christen mit einer neuen Theologie, um sie in ihrem Glauben zu stärken. Lange Zeit hat man den Hebräerbrief eher vom Alten Testament her verstanden. Heute sieht man, daß der Autor dieses in bestem Griechisch geschriebenen Briefes neben Johannes und Paulus der dritte große Theologe des Neuen Testamentes ist. Er denkt nicht in jüdischen, sondern in griechischen Kategorien. Er interpretiert immer wieder Texte des Alten Testaments, um den Christen zu zeigen, was Jesus Christus für sie heute bedeuten und wie er sie in ihrem matt gewordenen Glauben stärken kann.
So deutet der Autor auch auf recht eigenwillige Weise Psalm 95, der im Stundengebet der Mönche häufig die Vigil, die nächtliche Gebetszeit, eröffnet. Dort heißt es: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht wie beim Aufruhr, wie in der Wüste am Tag der Versuchung... Immer geht ihr Herz in die Irre. Sie erkannten meine Wege nicht. Darum habe ich in meinem Zorn geschworen: Sie sollen nicht in das Land meiner Ruhe kommen“ (Hebr 3,7.9f). Die Ruhe Gottes, in die das Volk Israel nicht eingegangen ist, ist nicht das Gelobte Land. Denn da ist das Volk ja eingezogen. Es meint vielmehr die Sabbatruhe Gottes (Hebr 4,9). Die Sabbatruhe meint auch nicht die Ruhe, die uns im Tod erwartet. Der Hebräerbrief denkt nicht in zeitlichen, sondern in räumlichen Kategorien. Die Sabbatruhe Gottes ist ein jenseitiger Ort, den Gott für uns bereithält. Jesus ist bereits durch seinen Tod in diesen Ort der Ruhe eingezogen.
Jetzt liegt er für uns bereit. Wenn wir glauben, übersteigen wir diese Welt und haben schon jetzt teil an diesem himmlischen Ort der Ruhe. Der Glaube enthebt uns also der Welt. Er befreit uns aus der Ruhelosigkeit dieses Lebens und führt uns in den jenseitigen Ruheort, den Christus als Vorläufer des Glaubens für
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uns schon in Besitz genommen hat. Der Hebräerbrief versteht diesen Ort der Ruhe nicht als zukünftigen Ort, den wir nach unserem Tod im Jenseits erreichen werden, sondern als himmlischen Ort, der jetzt schon für uns bereitet ist und an dem wir jetzt schon wohnen, wenn wir im Glauben feststehen in dem, was wir erhoffen und nicht sehen (vgl. Hebr 11,1). Jetzt schon, mitten in der Unruhe, mitten im Trubel von Verfolgung und Anfeindung, von Kränkungen und Verletzungen, ist unser Herz durch den Glauben schon am himmlischen Ort der Ruhe, in dem Christus wohnt. Dieser jenseitige Ort ist zugleich ein innerer Ort. Es ist der Raum der Stille in uns, das Allerheiligste, in das Christus eingetreten ist, der Raum, zu dem die Unruhe dieser Welt keinen Zutritt hat, in dem uns Christus Anteil schenkt an der göttlichen Ruhe.
Der Hebräerbrief zählt die Haltungen auf, die es uns unmöglich machen, diesen jenseitigen und zugleich inneren Ort der Ruhe zu erreichen. Da ist einmal die Verhärtung. Das griechische Wort „skleros“ meint trocken, dürr, rauh, hart, starr, unangenehm, unbarmherzig, mürrisch. Wer hart geworden ist in seinem Herzen, wer unbarmherzig ist, wer ständig murrt und sich gegen das Leben auflehnt, das Gott ihm zugedacht hat, der findet den Weg nach innen nicht. Er ist abgeschnitten von seinem Herzen. Er lebt an der Oberfläche, und er lebt im Unfrieden mit sich selbst. Er kommt nie zur Ruhe. Die zweite
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