Herzensruhe
Haltung ist die Verbitterung. Das griechische Wort
„parapikrasmos“ heißt Aufruhr, Rebellion, Erbitterung und Verbitterung. Wer verbittert ist, der ist in ständiger Auflehnung gegen sich selbst und gegen Gott. Die Bitterkeit gärt in ihm und läßt das Herz nie zur Ruhe kommen. Manc hen Menschen sieht man die Bitterkeit schon am Gesicht an. Da hat man das Gefühl, daß die alten Verletzungen noch genauso präsent sind wie damals vor vielen Jahren und das Herz nicht in Ruhe lassen. Sie zersetzen die Seele und kommen bei jeder Gelegenheit wieder ans Licht, wenn sie sich in bitteren Bemerkungen äußern.
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Die dritte Haltung ist das Irregehen. Ihr Herz geht in die Irre.
Es geht falsche Wege. Es schweift herum und verirrt sich. Hier ist nicht nur das äußere Herumvagabundieren gemeint, sondern ein inneres Umherwandern. Das Herz bleibt nicht bei sich, es ist in sich selbst zerrissen und geht mit seinen Gedanken bald hierhin und bald dorthin. Es ist das unruhige Herz, das sich nicht auf Gott und nicht auf das, was Gott ihm anbietet, einlassen kann. Und die vierte Haltung, die die Ruhe verhindert, ist das böse und ungläubige Herz, das von Gott abfällt (Hebr 3,12). Das Herz ist böse, weil es nicht glaubt, weil es sich Gott gegenüber hart macht und verschließt, weil es Gott auf die Probe stellt, anstatt sich von Gott in Frage stellen zu lassen. Der Autor spricht hier von der Verführung der Sünde, vom Betrug der Sünde, die das menschliche Herz verhärtet. Wer sündigt, betrügt sich selbst. Und solcher Selbstbetrug macht das Herz hart und gefühllos. Ruhelose Menschen sind oft gefühllos. Sie können sich nicht auf ein Gefühl einlassen. Sie fliehen letztlich vor intensiven Gefühlen. Sie haben Angst, in ihre Gefühle hineinzugehen, und so sind sie immer auf der Flucht vor sich selbst. Sie schließen sich selbst vom Leben aus. Denn es gibt kein intensives Leben ohne Gefühle und ohne die Fähigkeit, ganz im Augenblick zu sein, die Ruhe und Stille zu genießen.
Wer glaubt, so meint der Hebräerbrief, der kommt in das Land seiner Ruhe, und zwar heute. Jeder Tag ist dieses Heute, da wir eintreten können in das Land seiner Ruhe, in seine Sabbatruhe. Gott hat sich am siebten Tag von seinen Werken ausgeruht. Und uns hat er einen Tag der Ruhe geschaffen, indem wir teilhaben dürfen an seiner ewigen Ruhe. Das Alte Testament kennt den ewigen Sabbat am Ende der Zeit, an dem wir für immer ausruhen können von unseren Werken. Der Hebräerbrief aber spricht von der Sabbatruhe, die „heute“ möglich ist, wenn wir durch den Glauben eintreten in das „Land seiner Ruhe“.
Jeden Augenblick können wir durch den Glauben eintreten in diesen inneren
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Ort der Ruhe, in dem Gott selbst in uns ruht. Es ist ein Ort, den Gott uns seit der Erschaffung der Welt zugedacht hat. Zu diesem Ort haben wir Zutritt durch Jesus Christus, der uns als Vorläufer (prodromos) vorausgegangen ist.
Der Hebräerbrief kann diesen inneren Ort der Ruhe auch mit dem Bild des „Allerheiligsten“ bezeichnen, in das Christus durch den Vorhang seines Todes eingetreten ist. Es ist der innere Raum in uns, an dem wir ganz heilig und heil sind, an dem alles in uns gut ist, an dem wir ganz wir selbst sind, unberührt von der Sünde, unberührt von der Bosheit des menschlichen Herzens.
Dort sind wir im Einklang mit Gott. Dort können wir wahrhaft daheim sein, weil das Geheimnis, Gott selbst, in uns wohnt.
Zum Allerheiligsten hat nur der Hohepriester Zutritt. Die Heiden, die Männer und Frauen, die Kinder, die Händler mit ihren Rindern und Tauben, sie alle haben keinen Zutritt. Die Gedanken und Gefühle, die Leidenschaften und Bedürfnisse, die Sorgen und Probleme, der innere oder äußere Lärm, all das ist ausgeschlossen vom Allerheiligsten. Dort sind wir allein mit dem Heiligen. Dort sind wir eins mit Gott und eins mit uns selbst. Dort sind wir wahrhaft allein, alleins, mit allem eins, weil wir mit Gott eins geworden sind.
Der Hebräerbrief versteht die Erlösung durch Jesus Christus als den Weg, den Jesus uns vorausgegangen ist, den Weg in das Heiligtum, in die ewige Sabbatruhe Gottes, in das Land der Ruhe. Im Glauben an Jesus Christus, den Urheber und Vollender unseres Glaubens, sind wir schon eingetreten in den Ort der Ruhe. Im Glauben und in der Hoffnung auf Jesus Christus
„haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele, der hineinreicht in das Innere hinter dem Vorhang; dorthin ist Jesus für uns als unser Vorläufer
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