Herzensstürme - Roman
wirst du dich um Brianna kümmern und sie in den Highlands in Sicherheit bringen«, befahl Angus und wandte sich ab, um die Musikinstrumente aus dem Unterstand zu holen.
»Brianna?«, murmelte Kelvin mit düsterem Spott. »Wieso glaubst du, dass sie entkommen wird, falls man dich erkennt?«
»Tu einfach, was dir gesagt wird, Freund.«
Der Nebel wollte sich nicht lichten, Angus hatte dennoch wenig Mühe, den Weg nach Craigton Castle zu finden. Eine Weile ritten sie an der Küste entlang, wo man das Rauschen der Wellen und das Geschrei der Seevögel hörte, dann lenkte er den Wallach landeinwärts und bald entdeckten sie Wagenspuren. Der Weg war vom Regen aufgeweicht und sumpfig, denn er führte am Rand eines Moorgebiets vorbei, hie und da lagen Äste und halb verfaulte Balken im Morast, die man dort hineingeworfen hatte, um zu verhindern, dass die Wagenräder allzu tief in den Boden einsanken. Der Boden gluckerte und schmatzte unter den Hufen ihrer Reittiere, manchmal blieb das Maultier stehen und wählte dann eine andere Richtung, der Wallach folgte. Stille umgab sie, nur selten erhob sich ein Windhauch, der die Nebelschwaden verwehte und die Gräser leise rascheln und flüstern ließ. Feen mit wehenden Gewändern schienen durch den Nebel zu gleiten, ihre Gesichter mit zarten Schleiern kühl zu berühren, braune Zwerge mit langen Bärten duckten sich an den Boden, schrumpften zu bemoosten Baumstümpfen, wenn man an ihnen vorüberritt. Brianna fuhr erschrocken zusammen, als der schrille, klagende Schrei eines Vogels erklang.
»Das ist nur der Regenpfeifer«, beruhigte sie Angus.
»Keine Angst, Brianna. Falls ein Red Cap sich blicken lässt, haue ich ihm deine Trommel über die Mütze.«
»Es ist nicht meine, sondern deine Trommel.«
»Richtig. Und ich werde sie heute noch meisterlich schlagen.«
»Die Hauptsache ist, du machst nicht zu viel Lärm dabei.«
Sie hatte wenig Lust zu scherzen, doch es war immer noch besser, bissige Bemerkungen zu machen, als ihre Angst zu zeigen. Sie fürchtete nicht für sich selbst, aber je näher sie der fatalen Burg kamen, desto klarer wurde ihr, dass Kelvin nicht Unrecht hatte. Wie sollte es gelingen, einen Gefangenen aus dem Kerker dieser Burg zu befreien? Jede Festung war mit Mauer und Toren gesichert, viele waren verwinkelt angelegt, die größeren Burgen besaßen mehrere Tore. Man hätte ein ganzes Heer benötigt, um diese Aufgabe zu lösen oder zumindest doch eine größere Anzahl entschlossener Kämpfer.
Eine niedrige, dunkle Form wuchs vor ihnen aus dem Nebel. Als sie näher heranritten, erkannten sie einen beladenen Karren, der von vier Ochsen gezogen wurde. Der Fuhrmann hatte die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und hob kaum den Kopf, als sie an seinem Gefährt vorüberritten. Auch sein Begleiter, der in den Mantel gewickelt zwischen den Fässern und Kisten hockte, regte sich nicht.
Seltsam, dachte Brianna. Sie müssen doch die Schellen hören und begreifen, dass wir Barden sind. Ein Barde wurde fast immer unterwegs angestarrt, oft winkte man ihnen zu und rief dumme Scherze hinüber, manchmal auch Grobheiten, auf jeden Fall aber erregten die Spielleute die Neugier der Menschen.
»Hör zu, Brianna«, sagte Angus leise. »Es gibt noch einiges, das du wissen solltest.«
»Sag nur, du willst mich in deine Pläne einweihen.«
Er ignorierte ihren Spott und fuhr fort.
»Nur so weit, wie es nötig ist. Du hast nichts weiter zu tun, als deine Lieder zu singen und - wenn es sein muss - ein wenig zu tanzen. In der Nacht werde ich mich heimlich auf der Burg umsehen und erfahren, ob Gordon tatsächlich dort gefangen sitzt. Schon morgen früh werden wir unter einem Vorwand wieder abreisen und deine Arbeit ist damit beendet, Bardin.«
Sie war schwer enttäuscht, denn sie hatte geglaubt, an der Befreiung des Gefangenen mitwirken zu dürfen.
»Und wenn Gordon wirklich dort ist? Wie willst du ihn dann aus dem Kerker holen?«
»Das ist allein meine Sache, Brianna!«, gab er abweisend zurück.
Es gefiel ihr überhaupt nicht, und sie suchte nach Einwänden.
»Aber wenn du morgen gemeinsam mit mir die Burg verlassen willst …«
»… dann werde ich genau wissen, wie ich ungesehen dorthin zurückgelange«, gab er ruhig zurück.
»Und wie? Willst du dir eine Tarnkappe aufsetzen oder dich in einen Raben verwandeln?«
»Ganz falsch. Es gibt einen geheimen Gang, der aus der Burg heraus ins Moor führt. Oder vom Moor zurück in die Burg - je nachdem, in welche Richtung man ihn
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