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Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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wieder“, bemerkte er trocken.
    Roxy konnte sich keinen Reim auf sein Verhalten machen. Er hatte sie selbst zwar bisher in keiner Weise bedroht. Aber was er mit Jerry und Marcie gemacht hatte, war mehr als bedrohlich. Außerdem hatte er schlicht erklärt, dass er nicht gekommen war, um sie zu befreien, aber genau das getan. Er hatte ihr mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben gerettet. Er hatte sie mit Süßigkeiten gefüttert und ihr seine Jacke gegeben, damit sie sich wärmen konnte. Bemerkenswert fürsorglich für jemanden, der anderen bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust reißt und … Was war das andere, was er den beiden aus ihren leblosen Körpern gefischt hatte? Ihre Seelen?
    Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf die beiden Toten. „Wenn du mich anfasst, kannst du was erleben. Ich kratze und beiße.“ Der gelbe Lutscher hatte tatsächlich Wunder gewirkt. Sie fühlte sich wesentlich besser. Auch ihre Stimme klang jetzt fester.
    „Du kannst die Krallen wieder einziehen“, erwiderte er ruhig. „Wenn ich etwas von dir gewollt hätte, wärst du längst erledigt.“
    Höchstwahrscheinlich. „Und warum hast du mir stattdessen geholfen?“
    Er sah sie lange an und zuckte dann die Schultern. „Weiß ich selbst nicht.“
    Sie fand diese Antwort irgendwie sympathisch, dazu sein Lächeln, das dieses Mal mehr war als nur ein Zucken mit den Mundwinkeln. Weiße Zähne, sonnengebräunte Haut, ein Grübchen in der linken Wange. Roxy hielt den Atem an. Bisher hatte sie diesen Mann noch gar nicht richtig angesehen. Dass es dieser Mann war, der vor ihren Augen solche Scheußlichkeiten vollbracht hatte, war unvorstellbar. Er hatte sich benommen wie der Satan persönlich, sah jedoch nicht danach aus. Er war wohl etwa dreißig Jahre alt, also gut zehn Jahre älter als sie, hatte dichtes, leicht gewelltes blondes Haar, das ihm fast bis zu den Schultern reichte und im Nacken zusammengebunden war. Ein paar einzelne Strähnen umrahmten sein Gesicht, ein Gesicht wie in Stein gemeißelt: ausgeprägte Wangenknochen, energisches Kinn, die hellen Stoppeln verrieten einen starken Bartwuchs. Mit einem Wort, er war ein Bild von einem Mann mit Ecken und Kanten.
    Und das machte die Sache nicht besser. Er hatte es ihr vorgeführt: Er war ein Monster, ein außergewöhnlich gut aussehendes Monster, das ohne mit der Wimper zu zucken und mit bloßen Händen Menschen zerfleischte, ihr aber gleichzeitig seine Jacke um die Schultern legte, damit sie nicht fror, und besorgt ihre Verletzungen an den Handgelenken betrachtete.
    Roxy hielt still, als er sich wieder zu ihr herabbeugte, dieses Mal um die Stricke an den Fußgelenken zu zerreißen. Sobald sie merkte, dass sie frei war, rappelte sie sich auf und tastete sich auf noch unsicheren Beinen an der Wand entlang, um Abstand zu ihm zu gewinnen. Ein aus der Wand ragendes Rohr versperrte ihr den Weg.
    Dagan folgte ihr.
    „Du kannst entspannt bleiben“, meinte er. „Wir haben uns doch schon darauf geeinigt, dass ich dich heute Nacht nicht töte.“
    Heute Nacht also nicht. Wirklich beruhigend. „Wann dann?“, fragte sie. „Morgen vielleicht? Oder nächste Woche?“ Angstvoll blickte sie zu den beiden Leichen. Sie wollte es nicht, aber sie konnte nicht anders. Warum gehörte sie nicht zu seinen Opfern?
    Roxy kam eine Idee. „Oder tötest du nur Mörder?“ Das wäre immerhin eine Erklärung gewesen.
    Dagan blieb ungerührt. „Nein, nicht ausschließlich.“
    „Nicht ausschließlich? Wen denn sonst noch? Kleine Kinder? Kuschelige Haustiere?“
    Seine Miene wurde kalt und abweisend. Roxy merkte, dass sie mit der Bemerkung zu weit gegangen war. Sein Blick fiel auf ihre Lippen. Sie spürte, wie ihr Herz wie wild zu schlagen begann. Mein Gott, gleich wird er mich küssen, dachte sie. Sie musste wirklich völlig durchgeknallt sein. Vor allem weil sie sich insgeheim wünschte, er würde es tun.
    Doch Dagan lächelte nur spöttisch und fragte: „Hat dich dein loses Mundwerk eigentlich schon mal in Schwierigkeiten ge bracht?“
    Mehr als einmal. Ein paar Sekunden, die Roxy wie eine Ewigkeit vorkamen, sahen sie einander an. Dann wandte Dagan den Blick ab und starrte auf die Wand gegenüber. Roxy wagte nicht, sich zu rühren. Auch sie vermied es, ihn anzusehen, wusste jedoch auch nicht, wohin sie sonst schauen sollte, weil sie den Anblick der zerfetzten Körper nicht ertrug. Über ihnen waberten noch immer die Schwarzen Seelen der beiden Toten und warfen ab und zu einen Schatten auf sie, wenn sie

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