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Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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stand auf, nahm ihren Rucksack und ging zum Wandschrank. Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, entdeckte Roxy in einer Ecke zusammengekauert ein kleines Mädchen. Anscheinend war Marin immerhin so human gewesen, die zweite Decke vom Bett zu nehmen und ihr zu geben. Erstaunlich, dass ein Arschloch wie er überhaupt auf so eine Idee kam.
    Das Kind hielt die Augen geschlossen und atmete schwer, da Marin ihm einen Knebel in den Mund gesteckt hatte. Aber die Kleine atmet zumindest, stellte Roxy erleichtert fest. Sie hatte die schlimmsten Befürchtungen gehabt, und das war auch der Grund, warum sie Jobs, bei denen Kinder mit im Spiel waren, für gewöhnlich lieber anderen überließ.
    Die Aktion, zu der Roxy dieses Mal ausgezogen war, galt nicht einmal in erster Linie dem Kind. Sie hatte den Auftrag, Informationen zu sammeln. Einer von Sutekhs Seelensammlern war – man konnte es nicht anders nennen – abgeschlachtet worden. Und sie sollte nun in Erfahrung bringen, ob der Reaper tatsächlich tot war und auch tot bleiben würde. Keine einfache Aufgabe. Was das Kind mit der ganzen Angelegenheit zu tun hatte, war Roxy schleierhaft.
    Roxy war seit nunmehr knapp zehn Jahren Mitglied der Isisgarde, einer Art Spezialeinheit der Isistöchter, gehörte aber dem Rang nach immer noch eher zum Fußvolk. Calliope Kane, von der sie ihre Befehle bekam, hatte das kleine Mädchen zwar erwähnt, aber keine Erklärungen dazu gegeben. Das war nicht ungewöhnlich. Die Anleiterinnen der Isisgarde waren immer sparsam mit Erklärungen. Wer einen Auftrag erhielt, erfuhr nur das Allernötigste.
    Anfangs hatte Roxy damit gut leben können. Aber in jüngster Zeit wurde sie das Gefühl nicht los, dass etwas im Busch war. Irgendetwas stimmte nicht mehr. Und je stärker dieses unbestimmte Gefühl in ihr wurde, desto unbehaglicher wurde ihr bei der Spärlichkeit der Informationen, die sie bekam.
    Gerade bei diesem Auftrag wuchs Roxys Unbehagen, auch wenn ihr an Calliopes Verhalten nichts aufgefallen war. Von außen betrachtet war alles so wie sonst. Und dennoch spürte Roxy, dass dieses Kind eine weitaus größere Bedeutung hatte, als Calliope zugeben wollte. Die Kleine war alles andere als eine Randerscheinung bei diesem Job, und Roxy hörte nicht auf, sich zu wundern, warum Calliope so viel daran lag, das zu vertuschen.
    Sie achtete darauf, dass die Schranktür Marin den Blick auf das Kind versperrte. Dann hockte sie sich hin, holte ein Asthmaspray aus dem Rucksack und befreite das Mädchen vom Knebel und von den Fesseln um die Handgelenke. Roxylegte der Kleinen den Arm um die Schultern, richtete sie ein Stück auf und schüttelte sie sanft, damit sie wieder zu sich kam. Die Kleine wirkte leblos, sie rührte sich nicht.
    „Dana, wach auf“, rief Roxy leise. „Komm, meine Kleine, tu mir das nicht an.“ Tu es mir nicht an, dass ich vor deine Mutter treten und ihr sagen muss, dass ihr Kind tot ist, dachte Roxy panisch.
    Endlich öffnete das Kind die Augen. Sie waren himmel-blau. Roxy sah, dass das Mädchen noch immer nicht ganz bei sich war. Sie hielt das Asthmaspray hoch und zeigte es ihm. Die Kleine starrte sie nur verständnislos an. Angst und Anspannung zeichneten das kleine Gesicht. Roxy war ratlos, was sie machen oder sagen sollte. Sie, die selbst keine richtige Kindheit gehabt hatte, hatte kaum Erfahrung im Umgang mit Kindern.
    Erinnerungen stiegen in ihr auf.
    „Wie heißt du?“
    „Roxy Tam.“
    „Wo wohnst du, Roxy?“
    Sie erinnerte sich noch sehr gut an die tiefe Stimme, die vertrauenerweckend und freundlich geklungen hatte. Sie sah sich in einem engen Raum sitzen, in dem es kaum mehr als einen Tisch und zwei Stühle gegeben hatte. Das grelle Deckenlicht hatte sie geblendet. Ihr Gegenüber hatte genauso dunkle Haut gehabt wie sie und hatte eine blaue Uniform getragen. Er hatte ihr ein Wasser und Schokoladenkekse hingestellt. Trotz der gut gemeinten Geste hatte sie von dem Tag an Schokolade gehasst.
    „Du bist in Sicherheit, Roxy. Hier wird dir niemand etwas tun.“
    Die Erinnerung war immerhin eine kleine Hilfe.
    „Du bist jetzt in Sicherheit, Dana. Niemand wird dir etwas tun“, sagte Roxy zu der Kleinen. „Ich bringe dich jetzt zurück zu deiner Mom.“
    Dieser Satz kam in Roxys Erinnerungen nicht vor. Das hatte niemand zu ihr gesagt. Der Grund dafür war einfach. Es hatte keine Mom gegeben, zu der man sie hätte zurückbringen können. Aber sie hatte überlebt, und das war die Hauptsache gewesen.
    Während Roxy sich fragte, wie

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