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Herzflattern im Duett

Herzflattern im Duett

Titel: Herzflattern im Duett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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vor sich hinhielt. Die Butterhaartolle war schon zu erkennen. Frau Meusinger nickte ihm aufmunternd zu.
    Neben Ralf Siegelmann saß Lucas Glöckner. Seine Schultern waren doppelt so breit wie die von Ralf. Lucas bohrte gerade in seiner Knollennase, als sich Frau Meusinger über sein Blatt beugte.
    »Was soll das darstellen?«, fragte Frau Meusinger. Sie betrachtete Lucas' Kunstwerk. Auf der linken Blattseite sah man ein schwarzes Rechteck und auf der rechten einen schwarzen Schmetterling. Es konnte aber auch eine Sonnenbrille mit Flügeln sein.
    Lucas machte ein ernstes Gesicht. »Meinen inneren Konflikt zwischen Fernsehen und Playstation. Das ist der Fernseher«, sagte Lucas und tippte mit dem Filzstift auf das schwarze Rechteck, »und das ist der Controller der Playstation.« Lucas tippte auf die Sonnenbrille mit den Flügeln.
    Frau Meusinger zog die Augenbrauen hoch. »Verstehe.«
    Sie schritt weiter langsam von Tisch zu Tisch. Sie sah einen Smiley, ein Gesicht aus Rechtecken, Dreiecken und Kreisen, einen Superman und ein Supermodel. Helene Steinbrück hatte ein Monster mit riesengroßen Warzen, Glubschaugen und blonden, langen Haaren gemalt. Das Auffälligste waren die Ohren. Sie sahen aus wie gigantische Trichter. In einem Trichter saß ein dicker Wurm und blockierte den Eingang. Vor dem anderen Trichter hatte eine Spinne ihr Netz gespannt.
    Ludo Schwarzer hatte mit grauem Fineliner ein Gesicht gemalt. Das Gesicht eines alten Mannes. Es war übersät von Falten. Auf der Stirn war eine Narbe zu erkennen. Der Mann trug eine Brille. Er hatte einen hypnotisierenden Blick.
    »Ist das dein Opa?«, fragte Frau Meusinger. Vielleicht hatte Ludo die Aufgabe nicht ganz verstanden. Er schien manchmal etwas abwesend.
    Ludo schüttelte den Kopf. »Das bin ich in 70 Jahren.«
    Frau Meusinger beugte sich über das Bild. Sie nickte langsam. »Ja, jetzt erkenne ich es auch. Du hast dich gut gehalten.«
    »Danke«, sagte Ludo und nahm den Fineliner wieder zur Hand.
    Frau Meusinger ging zum Tisch der beiden Neuen. Silvania und Dakaria Tepes. Sie waren erst seit wenigen Wochen an der Lessing-Schule. Sie kamen aus Rumänien. Angeblich direkt aus Transsilvanien.
    Frau Meusinger betrachtete die Zwillinge mit etwas Abstand. Dakaria Tepes schien heute zur Abwechslung richtig ausgeschlafen. Zumindest lag ihr Kopf noch nicht auf dem Tisch, was sonst meistens ab der dritten Stunde der Fall war. Sie war nicht so blass wie in den ersten Wochen und schien insgesamt irgendwie ... ausgeglichener. Bisher hatte die Kunstlehrerin immer das Gefühl gehabt, Dakaria könnte jeden Moment in die Luft gehen.
    Sie wusste gar nicht, wie recht sie damit hatte.
    Silvania Tepes dagegen schien heute etwas aufgewühlt. Sie sah nervös nach rechts und links, wackelte ständig mit den Füßen und zuckte alle paar Minuten mit den Armen.
    Christine Meusinger stellte sich zwischen die Zwillinge und beugte sich über Dakarias Kunstwerk. Sie hatte aus schwarzer Knete eine Skulptur geformt. Sie sah aus wie eine Mischung aus Fledermaus, Mensch und Seeigel. Sie hatte zwei Beine mit schweren Schnürstiefeln, zwei Fledermausflügel und einen Kopf mit zahlreichen Stacheln. Als Augen hatte Dakaria zwei orangefarbene Reißzwecken in den Kopf gesteckt. Die Skulptur stand auf einer Art Kerzenständer. Darunter lag auf einem weißen Blatt eine kleine schwarze Knetwurst.
    »Das bist du, richtig?« Frau Meusinger zeigte auf die Skulptur.
    Daka nickte.
    »Und das ist ...?« Frau Meusinger deutete auf die Knetwurst.
    »Karlheinz.«
    »Karlheinz ist ... eine Wurst?«
    »Nein. Ein Blutegel.«
    Christine Meusinger nickte. Dann war ja alles klar. Karlheinz. Ein Blutegel. Warum nicht.
    Die Kunstlehrerin beugte sich zu Silvania Tepes. Sie hatte mit kräftigen Acrylfarben ein Selbstporträt gemalt, das aus dem Mittelalter hätte stammen können. Das Gesicht und der Hals waren weiß wie ein Schwan. Die lindgrünen Augen sahen den Betrachter direkt an. Die rotbraunen Haare wellten sich bis auf die Schultern, die von einem prunkvoll bestickten Kleid verdeckt waren.
    Silvania war gerade dabei, ihren Lippen einen tiefroten Anstrich zu verpassen. Doch sie kam nicht dazu, da eine Fliege immer wieder über das Kunstwerk flog. Vermutlich hatte sie der Geruch der Acrylfarbe angelockt. Oder sie interessierte sich für Kunst.
    Silvania verfolgte die Fliege mit den Augen. Die Fliege flog im Zickzack über das Kunstwerk. Sie flog zum linken Ohr. Summ. Sie flog zum rechten Ohr. Summ. Sie drehte einen

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