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Herzflattern im Duett

Herzflattern im Duett

Titel: Herzflattern im Duett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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Kreis über dem Kopf. Summ, summ, summ.
    Jemand knurrte. Silvania stellte mit Schrecken fest, dass es ihr Magen war.
    Die Fliege ließ sich auf dem Kunstwerk direkt auf der schneeweißen Nase nieder. Sie sah Silvania mit ihren Komplexaugen gleichgültig an. Silvania starrte die Fliege an. Silvanias Mundhöhle füllte sich auf einmal mit Speichel. Silvania spürte etwas, was sie bisher noch nie beim Anblick einer Fliege gespürt hatte.
    Hunger.
    Frau Meusinger bemerkte, dass Silvania sich verkrampfte. Nur ihre Hand bewegte sich. Sie zitterte. Die Kunstlehrerin musterte Silvania besorgt. Aus ihrem linken Mundwinkel lief Speichel. Ihre Augen waren starr auf einen Punkt gerichtet. Frau Meusinger folgte Silvanias Blick und entdeckte eine Fliege. Sie wollte die Fliege mit einer leichten Handbewegung verscheuchen. Doch dazu kam sie nicht mehr.
    Silvanias Hand schoss schnell wie eine Leopardentatze nach vorne, sauste auf die Fliege nieder, zerquetschte sie, riss das Kunstwerk entzwei und zerteilte die Schulbank mit einem lauten WOMMS, als wäre sie aus Pappe. Holz splitterte, Pinsel rollten durch den Raum, Stifte flogen durch die Luft, Farben spritzten auf den Boden, ein Glas zerbrach klirrend, eine Wasserpfütze breitete sich aus, Karlheinz kullerte auf den Fußboden, Banknachbarn drehten sich mit entsetzten Gesichtern um, Ralf Siegelmann schrie, Helene juchzte und Daka rief »SCHLOTZ ZOPPO!«.
    Während alle noch auf den zerstörten Tisch und das Chaos starrten, sah Silvania sich unauffällig nach allen Seiten um, hob die flache Hand, an der die Fliege klebte, und schleckte sie schnell ab.
    Flupp.
    Knirsch.
    Schluck.
    Silvania fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Sie machte ein leises Bäuerchen. Dann betrachtete sie den zu Kleinholz zerhackten Tisch zu ihren Füßen. Langsam hob sie die Hand und musterte sie voller Zweifel. Das sollte sie gewesen sein? Seit wann hatte sie so viel Kraft? Silvania war irritiert.
    Frau Meusinger auch. Sie sah Silvania mit großen Augen an.
    Silvania zog die Schultern entschuldigend hoch. »Altersschwäche«, sagte sie und deutete auf den Tisch, der alle viere von sich gestreckt hatte.
    Frau Meusinger betrachtete Silvania einen Augenblick nachdenklich. Dann nickte sie langsam. Es war an der Zeit, neue Schulmöbel anzufordern. Während Daka den Knet-Karlheinz aufhob und Silvania ihre Pinsel und Stifte einsammelte, nahm Christine Meusinger Silvanias zerrissenes Porträt in die Hand. Sie fügte beide Teile zusammen. Auf der Nase, genau wo die Fliege gesessen hatte, prangte jetzt ein kleiner Blutfleck. Die Fliege jedoch war verschwunden.

Flugversuche
    A ls es zur großen Pause klingelte, war Daka froh. Nicht, weil sie es eilig hatte, von ihrer offenbar gewalttätigen Schwester wegzukommen. Daka hatte sich etwas vorgenommen. Etwas sehr Wichtiges. Dazu musste sie in die Turnhalle.
    In der großen Pause war die Turnhalle meistens menschenleer. Daka hatte sich hier ab und zu kopfüber an den Stufenbarren gehangen und ein Nickerchen eingelegt. Heute wollte Daka kein Nickerchen machen. Heute war sie putzmunter. Obwohl es mitten am Tag war. Das war seltsam. Aber praktisch, wenn man tagsüber zur Schule gehen musste. Die Schulbänke waren etwas hart zum Schlafen und die Lehrer so unhöflich. Sie weckten Daka ständig mit Fragen auf, die sie sich selbst beantworten konnten. Und wenn nicht, dann konnten sie immer noch Ralf Siegelmann fragen.
    Vorsichtig öffnete Daka die Tür zur Turnhalle. Wie sie es sich gedacht hatte: kein Mensch weit und breit. Sie betrat die Halle und ließ den Blick über die Geräte schweifen. Stufenbarren, Schwebebalken, Hochsprunganlage, Sprossenwand, Basketballnetz, Bock und Sprungbrett. Es war alles da, was sie brauchte. Die Turnhalle, fand Daka, war der ideale Ort für ein paar Trainingsflugrunden.
    Der Hausmeister Olaf Zecher fand, die Turnhalle war der ideale Ort, um in Ruhe Zeitung zu lesen. Es roch dort zwar etwas nach Schweiß, dafür saß man auf den dicken Matratzen der Hochsprunganlage sehr bequem und war vollkommen ungestört. Hatte er die Zeitung ausgelesen, schaltete er seinen MP3-Spieler an und hörte Musik. Olaf Zecher liebte Countrymusik. Manchmal setzte er sich dabei sogar auf das Turnpferd. Er hielt sich mit einer Hand an der metallenen Pausche fest und stellte sich vor, er reite durch die Prärie. Dazu pfiff er leise.
    In der großen Pause war man in der Turnhalle so einsam wie in der Prärie. Das glaubte Olaf Zecher zumindest. Der Hausmeister stand

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