Herzflattern im Duett
dass Fußball durchaus spannende Momente hatte. Wenn auch nicht so viele wie Rennzeckenrennen.
Opa Gustav wedelte sich mit der Eintrittskarte Luft zu. Was war das wieder für ein Spiel! Konnte der FC Bindburg nicht einfach schon in der ersten Halbzeit 3 : 0 in Führung gehen, anstatt in der 88sten Minute einen Elfmeter verwandeln zu müssen? Das wäre bedeutend gesünder für sein Herz.
Oma Rose tätschelte die Hand ihres Mannes und beobachtete ihn besorgt aus den Augenwinkeln. Wenn er sich bloß nicht zu sehr aufregte! Seit dem vertraulichen Gespräch mit dem Hausarzt versuchte Rose, jede Aufregung von ihrem Mann fernzuhalten. Doch das war nicht leicht, wenn man mit einem glühenden Fußballanhänger verheiratet war. Selbst, wenn in einem Spiel nicht viel passierte, regte sich Gustav auf. Nämlich, dass es langweilig war.
Ludo stand reglos zwischen Herrn Tepes und Oma Rose. Er starrte auf das Fußballfeld und sagte leise: »Der hält.«
Oma Rose zuckte zusammen. »Was hast du da eben gesagt?«
»Der hält, der Torwart«, sagte Ludo.
»Pssst!«, machte Oma Rose und sah besorgt zu ihrem Mann. »Sag doch nicht so etwas.«
»Es ist aber so. Schwertfeger schießt in die linke Ecke und Ward hechtet in die linke Ecke. Er wird den Ball halten«, erklärte Ludo.
Herr Tepes runzelte die Stirn. »Bist du dir sicher?«
Ludo nickte. »Ich sehe es dieses Mal ganz klar. Das Bild ist nicht verschwommen.«
»Um Himmels willen!«, sagte Oma Rose, die über Ludos hellseherische Fähigkeiten bestens informiert war. »Das übersteht Gustav nicht! Kann denn nicht jemand etwas unternehmen? Irgendetwas?«
Herr Tepes sah die Verzweiflung in den Augen seiner Schwiegermutter. Der rosige Schimmer auf ihren Wangen war verschwunden und sie war jetzt fast so blass wie er. Im Gegensatz zu ihm stand ihr die Blässe gar nicht gut. Herr Tepes mochte Rose Wagenzink sehr. Sie war nicht nur die Mutter der wunderbarsten Frau der Welt, sondern selbst eine wunderbare Person. Natürlich nicht so wunderbar wie Elvira. Und selbst, wenn er Gustav Wagenzink für nicht ganz so wunderbar hielt, wollte er dennoch nicht, dass sein Schwiegervater wegen eines verschossenen Elfmeters seiner Fußballmannschaft als Porci-Proba ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Schon gar nicht an seinem Geburtstag.
Herr Tepes atmete tief durch und streckte die Brust heraus. Es sah ganz danach aus, als ob er die Sache in die Hand nehmen musste. Das Glück von seiner Schwiegermutter, Opa Gustav, Tausenden Fußballfans und dem FC Bindburg ruhte auf seinen Schultern. Zum Glück waren sie recht breit. Mihai Tepes beugte sich zu Oma Rose und drückte ihre Hand. »Mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich darum.«
Oma Rose sah ihren Schwiegersohn verwundert an. Was hatte er vor? Sie machte den Mund auf, um Mihai danach zu fragen, doch im nächsten Moment war er verschwunden. Weg. Znicnak. Ihr Schwiegersohn hatte sich in Luft aufgelöst. Dort, wo er eben noch gestanden hatte, war ein leerer Platz.
Ludo sah nicht weniger verblüfft aus als Frau Wagenzink. Es gab Dinge, die waren so unglaublich, die konnte er nicht voraussehen.
Trevor Ward verlagerte sein Gewicht von einem Bein aufs andere. Er hatte die Arme weit ausgebreitet. Die Finger, die von dicken Handschuhen verhüllt waren, hatte er auseinandergestreckt. Seine Zähne zermalmten unablässig einen Kaugummi. Sein Kopf war stur geradeaus gerichtet. Trevor Ward ließ Florian Schwertfeger nicht aus den Augen. Keine einzige Millisekunde. Er blinzelte nicht. Er kratzte sich nicht, obwohl es im linken Nasenloch juckte. Er zog nicht an der Hose, obwohl sie zwickte. Trevor Ward war ein Profi. Er war einer der besten und bestbezahlten Torhüter ganz Europas. Nicht ohne Grund hatte er den Spitznamen Ballwerk.
Trevor Ward stand vor dem Tor wie ein Bär, der seine Höhle bis aufs Blut verteidigen würde. Er marterte den Elfmeterschützen mit Blicken wie Giftpfeile. Trevor Ward konnte nicht hellsehen. Aber er hatte die Fähigkeit, bei manchen Spielern erkennen zu können, in welche Ecke sie schießen. Er musterte Schwertfeger eingehend. Links, dachte er. Er schießt in die linke Ecke. Das Ballwerk war sich vollkommen sicher.
Der Schiedsrichter pfiff und Florian Schwertfeger nahm Anlauf.
Die Zuschauer hielten die Luft an.
Der Trainer vom FC Bindburg drückte sein Gesicht in den dicken Bauch des Mannschaftsarztes.
Trevor Ward fixierte den Ball, den Schwertfegers Fuß jede Sekunde treffen würde. Er wollte sich in die linke
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