Herzflimmern
Mitternacht hatte es ein üppiges
luau
gegeben, mit
kalua
Schwein, das in einer mit Steinen ausgelegten Grube geschmort hatte. Danach, als der Lachs und die in Blätter gehüllten Fleischstücke gegessen waren, hatte Harrison seinen Gästen die Überraschung des Abends präsentiert: eine Vorführung des neuen Films
Invaders
, der noch nicht im Verleih war.
Leicht beschwipst begaben sich die Gäste in den kleinen Vorführraum im Ostflügel des Hauses und sanken faul in die komfortablen Plüschsessel vor der Leinwand. Es war bekannt, daß Harrison Butler dank seinen Verbindungen zur Filmbranche Zugang zu erstklassigen Filmen hatte, die {239} noch nicht im öffentlichen Verleih waren; die Gäste wußten, daß etwas Besonderes sie erwartete. Dennoch fürchteten einige, daß sie, von den Anstrengungen des üppigen Mahls erschöpft, während der Vorstellung einnicken würden.
Doch kaum hatte der Film begonnen, waren alle wieder hellwach. Ein cinematisches Feuerwerk riß die verblüfften Zuschauer, ehe sie sich’s versahen, mitten in ein wirbelndes Inferno einer gewaltigen Atomexplosion, die den Erdball sprengte und die Sterne aus ihren Bahnen schleuderte.
»Ach, Science Fiction«, brummte jemand in der Dunkelheit, aber das blieb während der nächsten drei Stunden der einzige Kommentar, und als nach Ende des Films die Lichter angingen, rührte sich zunächst keiner der Zuschauer.
Als der Bann sich löste, hörte Mickey hier und dort abgerissene Kommentare. »Science Fiction! Ich dachte, das wäre längst begraben und vergessen.« »Wer ist der Regisseur? Archer? Hat der nicht früher Dokumentarfilme gemacht?«
Gesprächsfetzen drangen an Mickeys Ohren. »Er ist mit dieser französischen Schauspielerin verheiratet – Vivienne.« – »Archer ist zur Zeit gerade drüben in Kahoolawe. Zur Drehortbesichtigung für seinen nächsten Film. Es soll eine Fortsetzung zu diesem hier werden, heißt es.«
Er ist zur Drehortbesichtigung in Kahoolawe.
Damals hatte sie flüchtig mit dem Gedanken gespielt, mit ihm Verbindung aufzunehmen; nur aus Freundschaft, hatte sie sich gesagt, in Erinnerung an alte Zeiten. Der Impuls hatte rasch nachgelassen; sie hatte der Realität ins Auge gesehen. Er ist verheiratet. Wir sind nicht mehr die, die wir einmal waren.
Vor kurzem hatte sie sein Gesicht auf dem Titelblatt von
Time
gesehen, ein wenig älter, das Haar jetzt modisch kurz geschnitten, in den von feinen Fältchen umgebenen Augen ein neues Selbstvertrauen, das faszinierte. Eines der neuen Wunderkinder Hollywoods. »Ein Gesicht, das
vor
der Kamera sein sollte und nicht dahinter«, hatte eine Kolumnistin geschrieben.
Mickey gönnte ihm den Erfolg. Er hatte das Ziel erreicht, das er sich gesetzt hatte. Genau wie sie selber. Nach den ersten drei Monaten in ihrer eigenen Praxis wußte sie, daß ihre Ängste grundlos gewesen waren. Sie hatte die richtigen Entscheidungen getroffen. Die Opfer, die sie gebracht hatte, hatten sich gelohnt. Es war richtig gewesen, nicht zum Glockenturm zu gehen. Sie war jetzt Fachärztin für Plastische und Wiederherstellungschirurgie mit eigener Praxis und wachsender Patienten {240} zahl. Und sie saß in diesem Augenblick an der Seite des Mannes, den sie liebte.
Zum vollkommenen Glück fehlt ihr nur die Gewißheit, daß Harrison ihr die gleichen Gefühle entgegenbrachte.
Man starrte sie an, als sie eintraten: Harrison Butler, groß und aufrecht, mit den klar gemeißelten Gesichtszügen eines Patriziers; Mickey, so groß wie er, gertenschlank, von faszinierender Schönheit in einem eisblauen Abendkleid. Es war, als beträten sie ein tropisches Wunderland. Das ganze Haus war mit raffinierten Arrangements farbenprächtiger Blumen und Blüten geschmückt, die einen berauschenden Duft verströmten. Die Türen waren mit Girlanden aus rotem und weißen Jasmin umkränzt, und jedem der eintreffenden Gäste wurde ein
Lei
aus weißen Orchideen und lavendelfarbener Bougainvillea umgelegt.
Mickey und Harrison mischten sich unter die Gäste, tauschten hier einige Worte, nickten dort jemandem zu. Manchmal nahm Harrison Mickey leicht beim Arm, ein-, zweimal legte er ihr kurz den Arm um die Schultern. Er war aufmerksam und zuvorkommend wie immer, versäumte nie, sie ins Gespräch miteinzubeziehen, wenn sie Bekannte von ihm trafen, bemühte sich, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Und wenn sie den Eindruck hatte, daß Harrison an diesem Abend irgendwie anders war, so schrieb sie es ihrer Einbildung zu.
Sie war
Weitere Kostenlose Bücher