Herzflimmern
Steve«, erwiderte sie leise. »Wie geht’s dir?«
Sein Blick flog nach rechts und nach links. »Gut, danke. Und dir?«
»Gut«, antwortete sie. »Hast du schon was wegen deiner Assistentenstelle gehört?«
Wieder blickte er nach rechts und links. »Noch nicht. Ich hoffe auf Boston.« Er lachte ein wenig nervös.
»Ich wünsch dir, daß es was wird.«
»Danke …«
Ruth schoß der Gedanke durch den Kopf, daß dies genau die richtige Gelegenheit war, ihm zu sagen, was sie dachte; wie enttäuschend sie es fand, daß gerade er, als Medizinstudent, überhaupt kein Verständnis aufgebracht hatte, für ihre Ungeduld, ihre Examensnoten zu erfahren. Darum nämlich war es zu dem Zerwürfnis zwischen ihnen gekommen; weil sie eine Unterhaltung mit ihm abgekürzt hatte, um zur Encinitas Hall zu laufen, wo die Noten ausgeschrieben gewesen waren.
Drei Wochen waren seitdem vergangen, aber Ruth erinnerte sich der kurzen Szene mit schmerzlicher Deutlichkeit. Es war ein feuchter, nebliger Abend gewesen, sie hatte gerade gehört, daß die Prüfungsergebnisse ausgehängt worden waren, und war sofort losgelaufen, um zu sehen, wie sie abgeschnitten hatten. Unterwegs hatte sie Steve getroffen, der stehengeblieben war, um mit ihr zu plaudern. Sie hatte ihm erklärt, verdammt nochmal, warum sie es so eilig hatte. Wieso hatte er das nicht verstehen können? Er war doch selber seit dreieinhalb Jahren im Medi {57} zinstudium; er mußte doch wissen, wie es einem unter den Nägeln brannte, wenn die Ergebnisse herauskamen. Sie hatte nur kurz gesagt, sie würden sich später sehen, und war weitergelaufen.
Als sie ihn ein paar Tage später anrief, war er sehr kühl. Er hielte es für besser, wenn sie sich nicht mehr sähen, erklärte er. Auf ihre Frage, was denn plötzlich los sei, antwortete er: »Ich kann nicht mit Büchern konkurrieren, Ruth. Du bist mir zu ehrgeizig. Du brauchst jemanden, dem es nichts ausmacht, die zweite Geige zu spielen.«
Seine Stimme hatte ein wenig traurig geklungen, sein Ton eine Spur vorwurfsvoll. Die gleichen Gefühle drückte sein Gesicht jetzt aus. Vielleicht sollte sie wirklich etwas sagen, jetzt, in diesem Moment, vor allen Leuten; vielleicht sollte sie ihm sagen, daß er offenbar vergessen hatte, wie es war. Vielleicht sollte sie ihn fragen, wieviele Frauen in seinem Leben die zweite Geige hatten spielen müssen, während er guten Noten nachgejagt war – er stand in seinem Jahrgang immerhin an fünfter Stelle. Wenn das kein Ehrgeiz war!
Aber sie sagte nichts von alledem. Wenn er, der ja gewissermaßen im selben Boot saß wie sie, für ihre Sorgen kein Verständnis aufbringen konnte, war sowieso jedes Wort überflüssig.
»Tja«, sagte er, sich schon von ihr entfernend. »Ich muß gehen. Wir sehen uns.«
»Sicher. Wir sehen uns …«
Als Sondra Rick Parsons entdeckte, sagte sie zu Mickey: »Komm, gehen wir rüber zu Rick.«
Aber Mickey wollte nicht. »Nein, nein, geh du allein rüber. Ich such mir irgendwo einen Platz, wo ich mich hinsetzen kann.«
Während Mickey auf ein sicheres Versteck unter den hohen Topfpalmen zusteuerte, drängte sich Sondra zum Kamin durch, wo Rick Parsons mit ein paar Leuten zusammenstand. Lächelnd winkte er ihr zu, als er sie bemerkte.
»Hallo, wie geht es Ihnen?«
»Oh, mir geht’s gut.«
»Wie nett, daß Sie gekommen sind. Ich hab gute Nachrichten für Sie.«
Schlagartig wurde sich Sondra bewußt, daß es für sie gar nichts mehr zu überlegen gab. Sie hatte sich bereits Hals über Kopf in ihn verliebt, und diesmal würde sie sich keine Grenzen setzen.
»Ja?« fragte sie. »Was denn?«
»Sie erinnern sich doch an Tommy?«
»Aber ja, natürlich.«
{58}
»Er ist inzwischen wieder völlig gesund. Ist das nicht schön?«
Sondra strahlte.
»Darf ich Sie bekanntmachen?« fuhr er fort und umfaßte mit einer weiten Geste die Leute, mit denen er zusammenstand. Die Namen waren Sondra unbekannt. Lächelnd sagte sie zu jedem, der ihr vorgestellt wurde, »Freut mich sehr«, und hatte dabei das Gefühl, schon lange nicht mehr so glücklich und vergnügt gewesen zu sein.
»Und das«, sagte Rick schließlich, »ist meine Frau, Patricia.«
Sondra starrte die Frau an, die neben ihm stand, eine sehr hübsche Frau mit einem sympathischen Lächeln und einer warmen Stimme. Wie aus weiter Ferne hörte sie, »ich freue mich, Sie kennenzulernen. Rick hat mir schon erzählt, daß er versucht, Sie für die Neurochirurgie zu werben. Wie sieht’s denn aus? Werden Sie sich
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