Herzflimmern
vorhatte.
»Ich habe einen Forschungsauftrag am St. Catherine’s Krankenhaus. Ich bin Facharzt für plastische Chirurgie und experimentiere mit verschiedenen Methoden zur Beseitigung von Hämangiomen. Deshalb habe ich Sie so unhöflich angestarrt. Ich suche schon eine ganze Weile nach jemandem, über den ich meine Fallbeschreibung machen kann. Ich habe eine ganze Reihe Patienten mit meiner neuen Methode behandelt, alle mit Erfolg, aber es handelte sich immer nur um kleine Geschwulste. Für meine Darstellung brauche ich einen dramatischen Fall. Und da tauchten Sie plötzlich auf.«
Mickey sagte nichts. Sie hatte entsetzliche Furcht, nicht vor Chris Novack und nicht vor Schmerz, sondern vor Enttäuschung. Sie hatte ihn wiederholt gefragt, ob die Behandlung erfolgreich sein werde, und er hatte immer wieder geantwortet: »Ich kann keine Garantien geben.«
»Sie haben ein sehr großes Mal. Ich kann mich nicht erinnern, je eines {74} gesehen zu haben, das eine ganze Gesichtshälfte überzog. Das ist eine hochempfindliche Zone, und das Verfahren ist entsprechend heikel. Ich mache erst eine Probe an Ihrem Rücken, um festzustellen, ob sich irgendwelche Reaktionen zeigen.«
»Und was muß ich tun?«
»Nichts. Sie müssen nur jeden dritten Samstag zu mir kommen. Jede Sitzung dauert ungefähr eine Stunde. Ich rechne mit sechs oder sieben Sitzungen. Sie müßten mir allerdings gestatten, daß ich vorher und nachher Aufnahmen von Ihnen mache und daß ich die Bilder und Ihren Namen in meinen Aufsätzen und Vorträgen verwenden darf.«
»Und wenn es schiefgeht?«
»Sie haben Angst, daß es hinterher noch schlimmer aussehen wird? Nein, das auf keinen Fall.«
Gerade als Mickey für sich beschlossen hatte, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, sagte Dr. Novack: »Eines noch: während der Behandlung ist kein Makeup erlaubt. Wir dürfen auf keinen Fall eine Infektion riskieren.«
Das hatte Mickey von neuem abgeschreckt. Wenn er jedesmal nur eine kleine Stelle behandelte, bedeutete das, daß der Rest des Mals zu sehen sein würde; das war für sie, als müßte sie sich den Leuten nackt zeigen. Nein, sie würde es doch nicht tun. Und das sagte sie ihm auch.
Doch sie hatte nicht mit ihren Freundinnen gerechnet, die sie bei jeder Gelegenheit mit gutem Zureden, Vorwürfen, sogar Drohungen bearbeiteten und in ihren Bemühungen, sie zu der Behandlung zu überreden, keinen Moment lockerließen.
»Ich bin schon zu oft enttäuscht worden«, hatte sie weinend gerufen, worauf Ruth und Sondra wie aus einem Mund erwiderten: »An Enttäuschung ist noch niemand gestorben.«
Sondra hatte eines Tages recht eigenmächtig die Initiative ergriffen und, während Mickey schlief, das Makeup aus sämtlichen Flaschen in den Ausguß gekippt und weggespült. Jetzt saßen die beiden, Sondra und Ruth, draußen im Flur und warteten, um Mickey nach ihrer ersten Behandlung in Empfang zu nehmen.
»Man hat praktisch alles ausprobiert«, sagte Dr. Novack zu Mickey, die wie versteinert in dem großen Stuhl saß, der sie an einen Zahnarztstuhl erinnerte. »Jahrelang haben die Ärzte mit allen möglichen Mitteln herumexperimentiert, und die Erfolge waren jedesmal gleich Null. Die Narbe vor Ihrem Ohr ist die Folge einer versuchten Hautverpflanzung. Machen Sie sich keine Gedanken, Mickey, die kann ich entfernen.«
Er brauchte ihr über die Methoden, die man schon ausprobiert hatte, {75} nichts zu erzählen; sie kannte sie alle aus eigener Erfahrung. Und praktisch jede Behandlung, der sie sich unterzogen hatte, war nicht nur erfolglos gewesen, sondern auch unglaublich schmerzhaft.
»Sie haben Glück, Mickey, Sie haben ein Kapillarhämangiom. Wenn es ein Kavernom wäre, müßte ich erst einen Neurochirurgen operieren lassen, um die Hauptblutzufuhr unterbrechen zu lassen.«
Als er mit den Fingerspitzen ihr Haar berührte, zuckte sie zusammen. Als er das erstemal ihr Haar nach hinten gestrichen hatte, um sich das Mal anzusehen, hatte Mickey geglaubt, sie müsse im Boden versinken vor Scham. Es war, als erforsche er mit seinem Blick und seinen Fingern ihr Allerintimstes. Niemals würde sie sich daran gewöhnen können.
»Ich fang direkt am Ohr an, Mickey. Dann ist es nicht zu sehen, wenn tatsächlich etwas schiefgehen sollte.«
Seine Stimme war sanft und beschwichtigend, während er arbeitete. Er steckte ihr das Haar zurück und legte ihr ein Tuch um den Kopf. Mickey hatte sich, wie er ihr geraten hatte, das Gesicht am Morgen gründlich mit einem
Weitere Kostenlose Bücher