Herzflimmern
Leopardenfelle zu bezahlen, so {126} lange wir alle den Hals nicht voll genug bekommen können, haben diese armen Teufel überhaupt keine Chance. Ich werde die Sache melden, wenn wir ankommen, aber helfen wird es nichts. Die Wilderer sind jetzt schon da unten, und sie wissen, daß wir das Tier gesichtet haben. Bis einer von den Wildhütern hinkommt, sind sie längst verschwunden, nachdem sie dem Elefanten bei lebendigem Leib die Stoßzähne abgesägt haben.«
Nicht lange danach setzte Derry zur Landung an.
»Halten Sie sich jetzt fest. Ich muß erstmal die Landebahn freischaufeln.«
Ehe sie sich’s versah, ging die Cessna in Sturzflug und donnerte in geringer Höhe über die Landebahn.
»Die verdammten Hyänen«, brüllte Derry. »Die kriegt man nie anders von der Landebahn weg.«
Noch einmal starteten sie durch, und als sie endlich auf dem Landestreifen aus festgetrampelter Erde aufsetzten, war Sondra beinahe übel.
»Sie werden sich schon daran gewöhnen«, bemerkte Derry, als er ihr von der Tragfläche herunterhalf.
Während er die Koffer, einen Packen Post und einige Säcke aus der Maschine holte, sah Sondra sich in ihrer neuen Umgebung um.
Hinter ihr dehnte sich eine weite Ebene roter Erde, die mit dürrem gelben Gras, Dornbüschen und verkrüppelten Bäumen bewachsen war. Vor ihr jedoch hatte die Landschaft ein anderes Gesicht: Grüne Hügel wellten sich in die Ferne zum Fuß hochragender, in Dunst gehüllter Felsen. Nicht weit von der Landebahn befand sich eine Enklave menschlicher Ordnung und Sauberkeit: Beschnittene Bäume und Hecken und eine Gruppe von Gebäuden – die Missionsstation. Dahinter sprenkelten runde Hütten und kleine abgegrenzte Felder die Hügelhänge.
Derry trat neben sie und sagte: »Komisch, daß keiner hier ist, um Sie in Empfang zu nehmen.«
Sie drehte den Kopf und sah die Verwunderung auf seinem Gesicht. Dann hörten sie beide von jenseits der Bäume und Blumen einen lauten Aufschrei. Derry ließ plötzlich Koffer und Säcke fallen und rannte davon. Verwirrt lief Sondra ihm nach.
Sie rannten zwischen zwei Torpfosten hindurch, über denen ein holzgeschnitztes Schild mit der Aufschrift ›Uhuru Missionsstation‹ angebracht war. Im Hof hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt: Afrikaner in bunt gemusterten Gewändern und Weiße in Khakikleidung. Alle schienen sie entweder zornig oder erschrocken zu sein. Die Menge teilte sich, als plötzlich ein Mann durchbrach, ein großer Afrikaner in {127} Khakihemd und Shorts, einem breitkrempigen Hut und einem Dienstabzeichen an der Brust. Zuerst rannte er, von zwei Männern verfolgt, in ziellosem Zickzack, dann schwenkte er unvermittelt und hielt direkt auf Sondra zu. Sie blieb stehen, er prallte mit ihr zusammen und riß sie zu Boden.
»Haltet ihn!« hörte sie jemanden rufen.
Sie sah Derry an sich vorüberlaufen, dann einen zweiten Weißen in Jeans und kariertem Hemd, der ein Stethoskop um den Hals hängen hatte.
Während sie langsam aufstand und sich den Staub von den Kleidern klopfte, schwoll das Geschrei um sie herum an, und zwei weitere Männer nahmen die Verfolgung des großen Afrikaners auf. Der rannte immer noch wie ein hakenschlagender Hase im Hof umher, wich behende den Händen aus, die ihn greifen wollten, bis er plötzlich ohne jeden ersichtlichen Grund zusammenbrach und auf der Erde liegenblieb wie von einer Kugel getroffen. An allen Gliedern zuckend wälzte er sich auf dem Boden.
Derry und der Mann in den Jeans knieten neben ihm nieder. Sondra lief zu ihnen, während die anderen neugierig zwar, aber doch ängstlich, murmelnd zurückwichen.
»Ich weiß nicht, was passiert ist«, sagte der Mann an Derrys Seite, der mit einem starken schottischen Akzent sprach. »Ich wollte ihn gerade untersuchen, ich hatte ihn noch gar nicht angerührt, da raste er plötzlich aus dem Krankenhaus hinaus.«
Derry blickte aufmerksam in das schwarze, von Schmerz verzerrte Gesicht. Die Augen des Schwarzen hatten sich so verdreht, daß nur noch das Weiße zu sehen war. Speichel und Blut rannen ihm über die Lippen.
Sondra kniete neben ihm nieder und drückte zwei Finger auf seine Halsschlagader.
»Er hat einen Anfall«, sagte sie. Dann hob sie den Kopf und sah den Mann an, der ihr gegenüber kniete und in offenkundiger Ratlosigkeit zu dem schwarzen Gesicht hinunterblickte. »Was ist geschehen?« fragte sie.
»Ich weiß nicht. Ich hatte kaum Zeit, mir den Mann anzusehen. Ich weiß nicht einmal, warum er ins Krankenhaus gekommen
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