Herzflimmern
seinem Schirm eine Kassette in seinen Recorder.
Mickey drehte das Skalpell in der Hand und zeichnete mit dem stumpfen Griff die Linie des beabsichtigten Schnitts vor. Einen Moment lang studierte sie die unsichtbare Wunde, dann drehte sie das Messer, um zu schneiden.
»Was machst du?« fragte Gregg.
»Einen Horizontalschnitt. Auf der Höhe der vierten Rippe.«
»Warum?«
»Weil es ein verdeckter Schnitt ist. Da sieht man die Narbe nicht.«
»Und wo hast du das gelernt?«
»Bei Dr. Keller. Letzte Woche. Er hat es mir gezeigt. Wir entfernen gerade soviel Brustgewebe wie –«
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»Ich erinnere mich an den Fall. Die Patientin war fünfunddreißig und hatte Keller schon vor der Operation gesagt, daß sie später eine Prothese machen lassen wollte. Unsere Patientin ist Mitte fünfzig, Mickey. Wir haben nicht die Zeit, auch noch an die Schönheit zu denken.«
»Aber beim normalen Schnitt bleibt eine Narbe, die über dem Badeanzug zu sehen ist, Gregg.«
»Mickey, na komm schon, du lernst hier allgemeine Chirurgie. Heb dir die Finessen für die Fachausbildung auf.«
Sie starrte ihn einen Moment lang an, dann zuckte sie die Achseln und setzte zum Standardschnitt an. Aber eines Tages, dachte sie bei sich, eines Tages …
»Ich geh’ und rede mit dem Ehemann«, sagte Gregg, während er Handschuhe und Kittel auszog. »Ich treff’ dich in einer halben Stunde in der Kantine.«
Mickey, die gerade Anweisungen auf das Krankenblatt der Patientin schrieb, nickte zerstreut. Dann aber sah sie auf und sagte: »Was?«
Gregg war schon hinausgegangen. Sie lief ihm nach. »Wieso in der Kantine? Ich muß noch zu den Patienten, Gregg.«
Jetzt sah sie etwas in seinem Blick, das sie während der dreistündigen Operation, die sie völlig in Anspruch genommen hatte, nicht bemerkt hatte.
»Wir müssen miteinander reden, Mickey«, sagte er.
»Es gibt nichts zu reden.« Sie sah zu der Uhr an der grüngekachelten Wand. »Es ist nach sieben. Nakamura wird inzwischen gemerkt haben, daß der Brief nicht kommt.«
Gregg blickte den Korridor hinauf und hinunter, der jetzt bis auf zwei Putzfrauen mit Schrubbern und Eimern leer war. Er nahm Mickey beim Arm und zog sie weg von der Tür, durch die gleich ihre Patientin herausgeschoben werden würde.
»Nakamura hat den Brief schon, Mickey«, sagte er leise.
»Was?«
»Es ist vorbei. Du kannst die ganze Geschichte vergessen.«
»Ich versteh’ nicht –« Mickey erstarrte plötzlich.
»Du
hast den Brief geschrieben«, flüsterte sie.
»Ich mußte es tun, Mickey. Ich wußte, daß du es niemals tun würdest.«
»Also Gregg!« Mit einem Ruck wandte sie sich von ihm ab, machte drei zornige Schritte und drehte sich wieder um. »Das ist wirklich das Schlimmste, was du mir hättest antun können!«
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»Du wirst mir noch dankbar sein, Mickey, glaub’ mir. Wenn wir erst unsere gemeinsame Praxis haben und du in der Rückschau erkennst, was ich dir erspart habe –«
»Du hattest nicht das Recht!«
Gregg warf einen Blick zu den beiden Putzfrauen, die ihn und Mickey verstohlen beobachteten.
»Verdammt noch mal, Mickey. Ich hab’ mir Sorgen gemacht. Nicht nur um dich, sondern um uns beide. Kannst du das denn nicht verstehen? Meinst du vielleicht, du würdest an irgendeinem Krankenhaus wieder als Stationsärztin genommen werden, wenn Nakamura dich rausschmeißen würde? Hör endlich auf, nur an dich und deine Prinzipien zu denken.« Er hob abwehrend eine Hand. »Nein, setz dich jetzt nicht aufs hohe Roß und mach mich zum Bösewicht. Du hast dich selber da reinmanövriert. Und komm mir jetzt nicht mit deiner Integrität und deinen ethischen Grundsätzen. Die hast du nicht allein gepachtet.«
Mickey zitterte. Und je steifer sie sich hielt, desto stärker zitterte sie. Es kostete sie große Anstrengung, sich so weit unter Kontrolle zu bringen, daß sie in halbwegs normalem Ton sprechen konnte.
»Ich weiß, warum du so dringend wolltest, daß ich mich bei Mason entschuldige, Gregg«, sagte sie. »Mit
meiner
Karriere und
meinem
Ruf hat das überhaupt nichts zu tun, stimmt’s? Es geht dir einzig um dich.«
»Um mich?« Gregg lachte gezwungen. »Was, zum Teufel, redest du da?«
»Du hast Angst, Nakamura könnte an deinen Fähigkeiten als Gruppenleiter Zweifel bekommen, wenn du nicht einmal eine Stationsärztin im zweiten Jahr dazu bringen kannst, daß sie die Anweisungen befolgt. Du hattest nicht um meine Karriere Angst, Gregg – sondern nur um deine eigene.«
Damit drehte sich
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