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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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in seinen Augen sah, die Mutlosigkeit in seinen hängenden Schultern, stellte sie ihren Kaffee nieder und beugte sich, die Ellbogen auf die Knie gestützt vor.
    »Toby«, sagte sie ruhig und eindringlich, »Sie sind gerade vier Monate mit dem Studium fertig. Kein Mensch erwartet von Ihnen, daß Sie alles wissen.«
    »Ja, aber sie brauchte nur ein paar Stiche. Und ich wußte das nicht. Ich fummelte eine ganze Stunde rum wie ein Blöder, während ihr das ganze Blut in den Magen lief. Ich hätte Sie sofort rufen sollen.«
    »Aber das gehört doch zum Lernprozeß, Toby. Jetzt, da Sie’s wissen, vergessen Sie es bestimmt nie wieder.«
    Er war nicht zu trösten. »Und was ist das nächstemal? Was passiert, wenn ich meinen nächsten Fehler mache? Ich hab’ Angst, Mickey. Die Sache hat mir eine wahnsinnige Angst gemacht.«
    Sie sah es in seinen Augen. Sie kannte diesen Blick – von sich und anderen. Ein anderer Assistenzarzt fiel ihr ein, Jordan Plummer, der zur gleichen Zeit mit ihr ans Great Victoria gekommen war; ein ehrgeiziger junger Mann, ungeheuer gewissenhaft und idealistisch. Etwa ein Jahr war es her, da hatte Jordan Plummer einen alten Mann mit schwersten Atembeschwerden aufgenommen. Da er Herzversagen fürchtete, hatte er dem Patienten eine Morphiuminjektion gegeben. Der alte Mann war kurz danach gestorben. Bei der Obduktion hatte sich herausgestellt, daß der Patient nicht an einer Herzschwäche, sondern an schwerer Bronchitis {169} gelitten hatte. Durch das Morphium waren die sowieso nur noch schwachen Atemreflexe völlig unterdrückt worden. Obwohl die einzige Konsequenz für Jordan eine harte Rüge vom Chefarzt der internistischen Abteilung gewesen war – schließlich war Jordan ein absoluter Neuling –, war Jordan nicht über die Sache hinweggekommen und hatte sich sechs Wochen später das Leben genommen.
    Auf Tobys Gesicht lag in diesem Moment ein Schatten der gleichen Verzweiflung, die Jordan Plummer in den Tod getrieben hatte.
    »Toby«, sagte Mickey ruhig. »Sie sind ein guter Arzt. Sie sind einer unserer besten Assistenzärzte hier. Lassen Sie sich nicht von einem einzigen Fehler aus der Bahn werfen.« Sie rutschte zur Kante ihres Sessels vor. »Ich habe voriges Jahr auch einige Fehler gemacht, darunter einen großen, der mich beinahe Kopf und Kragen gekostet hätte. Hier, auf dieser Station. Man brachte uns einen sechzehn Monate alten Jungen – Richard Grey hieß er, ich werde ihn nie vergessen. Er hatte seit mehreren Tagen an Durchfall gelitten, war stark entwässert und völlig lethargisch. Ich war wirklich vorsichtig. Ich berechnete ganz genau die Menge an Elektrolyten, Wasser und Salz, die zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen notwendig waren, und hängte den Kleinen dann an den Tropf. Eine Weile lief es gut, der Junge erholte sich, also ließ ich ihn weiter am Tropf. Aber am nächsten Tag bekam er Krämpfe. Ich versuchte alles – Kalziumglukonat, konzentrierte Kochsalzlösung –, aber nichts half. In meiner Verzweiflung holte ich schließlich Jerry Smith, der war damals mein Gruppenleiter. Er warf nur einen Blick auf das Kind, einen zweiten auf meine Aufzeichnungen und brüllte mich an, daß mir Hören und Sehen verging. Ich hatte den Kleinen völlig überwässert, Toby, und hätte dadurch beinahe ein Herzversagen herbeigeführt! Hätte Jerry nicht eingegriffen, wäre der Kleine gestorben.«
    Mickey hielt inne und sah Toby aufmerksam ins Gesicht. Er schien sie gar nicht gehört zu haben, blieb ganz ohne Reaktion. Erst nach einer Weile sah er sie an und seufzte.
    »Ich schaff’ das nicht mehr, Mickey. Das ist kein Beruf für mich. Da muß man eisenhart sein und darf überhaupt keine Nerven haben. Geschweige denn ein Herz. Als Sie das Kind in den OP raufbrachten, hab’ ich mich hier reingesetzt und geheult wie ein Schloßhund.«
    Er schnüffelte und drückte eine Hand an seine Wange. Mickey setzte sich zu ihm aufs Sofa und legte ihm einen Arm um die breiten Schultern.
    »Wann haben Sie das letztemal richtig geschlafen, Toby?«
    »Was für ein Tag ist heute?«
    Mickey lachte leise. »Okay, Sie haben seit März nicht mehr geschlafen, {170} sind total ausgepowert, und heute wäre Ihnen beinahe ein Kind gestorben, das Sie retten wollten. Kein Wunder, daß Sie fertig sind, Toby.«
    Er schüttelte den Kopf. »Es ist nicht nur die Sache heute, Mickey. Es ist alles! Wissen Sie, wie oft ich meine Frau zu sehen bekomme? Jedes zweite Wochenende, wenn wir Glück haben. Und dann bin ich viel

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