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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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emotionslose Maschine verwandelt hätten. In der zwölfmonatigen Assistenzzeit war ihr jegliche Sentimentalität ausgetrieben worden; sie hatte gelernt, den Tod als nichts weiter zu betrachten als eine klinische Phase der Krankheit; sie hatte gelernt, sich innerlich nicht an Patienten zu binden, sondern sie als ›Fälle‹ zu sehen. Ihre natürlichen Instinkte waren unterdrückt worden.
    Wenn ich hier rauskomme, bin ich einunddreißig Jahre alt.
    Das Telefon läutete. Mickey blickte auf. Geh nicht hin! schrie es in ihr. Dann zog sie ein Taschentuch heraus, und noch während sie sich das Gesicht trocknete, meldete sie sich.
    »Sind Sie das Dr. Long?« Die Stimme klang dringlich. »Hier ist Karen von der Pädiatrie. Wir haben einen Notfall. Blutungen nach einer Mandeloperation.«
    »Wer ist der Assistenzarzt?«
    »Toby Abrams. Er hat mich gebeten, Sie zu rufen.«
    Mickey legte auf und ging automatisch zur Tür. Sie handelte, wie ihre Ausbildung es sie gelehrt hatte. Aber innerlich war sie kalt und abgestorben.
     
    In der Pädiatrie war die Hölle los, als Mickey hinkam. Draußen im Korridor bemühten sich mehrere Schwestern, eine hysterische Frau zu beruhigen; im Krankenzimmer hielten zwei Schwestern und der Assistenz {167} arzt ein Kind auf dem Bett fest. Bettzeug, Kleider und Fußboden waren voll mit frischem Blut.
    Mickey lief zu dem kleinen Mädchen, das auf die Seite gedreht im Bett lag, und fragte: »Was ist denn los?«
    Toby, der Assistenzarzt, war blaß. Sein weißer Kittel war blutbefleckt. Mit einer Hand hielt er das Handgelenk des Kindes, um zu verhindern, daß die Kanüle des Tropfs herausrutschte.
    »Bernie Blackbridge hat sie heute nachmittag an den Mandeln operiert. Bis vor einer Stunde war alles normal. Da spuckte sie plötzlich eine Ladung Blut und fiel in Schock. In hab’ eine Blutprobe genommen, um eine Untersuchung machen zu lassen, und wollte ihr einen Tropf legen. Aber sie hat partout nicht stillgehalten, und ihre Venen sind so klein –«
    Mickey prüfte die Pupillen des kleinen Mädchens und sah ihr in den Hals.
    »Wir mußten sie zu dritt niederhalten«, berichtete Toby niedergeschlagen. »Ich kriegte die Nadel endlich rein, und da fing sie wieder an, Blut zu spucken. Die Transfusion ist jetzt –«
    »Verdammt noch mal, Toby«, unterbrach Mickey und sprang vom Bett. »Die Kleine braucht nichts weiter als ein paar Stiche. Haben Sie Dr. Blackbridge angerufen?«
    »Seine Frau sagte, er wäre noch nicht zu Hause, aber sie würde ihn wieder herschicken, sobald er kommt.«
    Sie wandte sich den Schwestern zu. »Haben Sie versucht, Dr. Waterman zu erreichen?«
    »Der operiert gerade.«
    »Gut. Dann lassen Sie Jay Sorensen ausrufen. Das Kind muß sofort in den OP .«
     
    Es war Mitternacht, als Mickey endlich dazu kam, zu duschen und ihre blutbefleckten Sachen auszuziehen. Aber sie war sonderbarerweise überhaupt nicht müde. Nachdem sie auf Drei Ost angerufen hatte, um zu sagen, daß sie so bald wie möglich die Runde machen würde, ging sie wieder in die Pädiatrie hinunter, um nach der Mutter des kleinen Mädchens zu sehen, der sie zuvor ein Beruhigungsmittel gegeben hatte. Die Frau schlief ruhig in einem der freien Zimmer.
    Im Ärztezimmer gab es frischen Kaffee, Orangensaft, Donuts und Obst, alles soeben für die Nachtschicht aus der Küche heraufgebracht. Mickey goß sich einen Kaffee mit viel Sahne ein und streckte sich in einem der Sessel aus.
    Merkwürdig, sie war müde, aber auf ganz andere Art müde als ein paar {168} Stunden zuvor, als sie am liebsten alles hingeschmissen hätte. Diese Art der Müdigkeit, wie sie sie jetzt verspürte, hatte etwas Befriedigendes, beinahe Belebendes. Seit Tagen hatte sich Mickey nicht mehr so gut gefühlt.
    Die Tür öffnete sich, ein deprimiertes Gesicht zeigte sich.
    »Hallo«, sagte Toby. »Kann ich reinkommen?«
    »Aber natürlich. Im Kühlschrank liegt hervorragende Salami.«
    Doch Toby schüttelte den Kopf. Er hockte sich auf die Sofakante und machte ein Gesicht, als säße er auf der Armsünderbank.
    »Danke, daß Sie die Kleine gerettet haben, Mickey. Mir haben Sie damit auch das Leben gerettet.«
    »Man tut was man kann, Toby.«
    Wieder schüttelte er den Kopf. Er war ein großer, bärenhafter Bursche mit dem Temperament eines Bernhardiners. Es gab niemanden, der ihn nicht mochte.
    »Ich hätte die Kleine beinahe umgebracht, Mickey. Ich hab’ einen furchtbaren Fehler gemacht. Das werd’ ich mir nie verzeihen.«
    Als Mickey die Trostlosigkeit

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